Wie stark trifft die US-Spionage die Deutschen? Westerwelle will mehr über "Prism" erfahren
16.06.2013, 10:12 Uhr
"Wir sehen das sehr skeptisch" - Westerwelle will mehr über das US-Spionageprogramm "Prism" erfahren.
(Foto: REUTERS)
Heimlich sammelt der US-Nachrichtendienst Daten. Im Visier hat er die Kunden großer Internetanbieter. Wie stark die Deutschen davon betroffen sind, bleibt zunächst unklar. Nun fordert Außenminister Westerwelle die USA auf, Klarheit zu schaffen.
Außenminister Guido Westerwelle erwartet von der US-Regierung Aufklärung über das amerikanische Internetspionage-Programm. "Wir sollten erstmal miteinander darüber reden, was wirklich stattfindet", sagte Westerwelle im Deutschlandfunk vor dem Berlin-Besuch von US-Präsident Barack Obama. "Wir sehen das sehr skeptisch und auch zurückhaltend, was dort an Berichten auch uns erreicht."
Eine Lösung im Streit um US-Datenspionage müsse laut Westerwelle Ziele beider Seiten verfolgen. "Schutz vor Terror, Vergrößerung unserer Sicherheit in Anbetracht von terroristischen Bedrohungen und entsprechenden Verabredungen, auch über die neuen Medien, und gleichzeitig Schutz der Privatsphäre, Schutz unserer Daten", sagte der FDP-Politiker.
Angeblich erlaubt das geheime Überwachungsprogramm "Prism" dem US-Nachrichtendienst National Security Agency (NSA) weitreichenden Zugriff auf die Daten von Nutzern großer Internetdienste, wie Google, Facebook, Microsoft, Yahoo, AOL und Apple. Die NSA soll so das Kommunikationsverhalten von Netznutzern weltweit auswerten können. Die betroffenen Unternehmen bestreiten aber, dass der Geheimdienst direkten Zugriff auf ihre Server hat. Das Geheimprogramm war aufgeflogen, nachdem der einstige CIA-Angestellte Edward Snowden den Zeitungen "Guardian" und "Washington Post" Dokumente zu "Prism" zugespielt hatte.
Iran und Pakistan wurden besonders unter die Lupe genommen
Inwieweit auch deutsche Nutzer von den Überwachungsmaßnahmen betroffen sind, ist unklar. Der "Guardian" hatte berichtet, mit einem Werkzeug namens "Boundless Informant" könne die NSA analysieren, woher die gesammelten Daten stammten. Demzufolge wurden vor allem der Iran und Pakistan beobachtet. In Europa stehe Deutschland ganz oben auf der Liste.
Indes wurden erstmals Zahlen zu Überwachungsanfragen genannt. Facebook und Microsoft setzten in Verhandlungen mit der US-Regierung durch, gewisse Informationen über die Behördengesuche öffentlich machen zu dürfen. Die Angaben sind aber sehr spärlich und nur wenig aussagekräftig. Bekanntgegeben wurden nur die nackten Zahlen der Anfragen - ohne einordnenden Hintergrund oder Details. Demnach gab es in der zweiten Jahreshälfte 2012 zwischen 9000 und 10.000 Behördenanfragen, die 18.000 bis 19.000 Nutzeradressen betrafen. Insgesamt zählt Facebook mehr als 1,1 Milliarden Nutzer weltweit. Bei Microsoft holten die Behörden nach Konzernangaben im zweiten Halbjahr 2012 Auskünfte zu rund 31.000 Kundenadressen ein.
Es gilt mittlerweile als gesichert, dass viele Internetfirmen die Begehrlichkeiten der Geheimdienste nicht widerspruchslos hingenommen haben. Unklar ist jedoch, wie erfolgreich sie mit ihren Einwänden waren. Lediglich von Yahoo ist bekannt, dass das Management Beschwerde gegen eine Anfrage einlegte - die dann aber vom zuständigen Gericht abgewiesen wurde.
Friedrich gibt der US-Regierung Rückendeckung
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verteidigte die USA vor deutscher Kritik. "So geht man nicht mit Freunden um, die im Kampf gegen den Terrorismus unsere wichtigsten Partner sind", sagte der Minister der "Welt am Sonntag". Friedrich betonte, Deutschland sei von Datenzulieferungen aus den USA abhängig. Es sei bekannt, "dass es die US-Geheimdienste sind, die uns immer wieder wichtige und richtige Hinweise gegeben haben". Die US-Geheimdienste hätten geholfen, mehrere Anschläge bereits in der Vorbereitungsphase zu verhindern und Menschenleben zu retten. Deutschland sei daher "sehr dankbar für die gute Zusammenarbeit".
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger hatte die USA für die weltweite Auswertung der Daten von Internetnutzern dagegen scharf kritisiert. Vertreter der Opposition forderten, Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse beim Besuch von US-Präsident Barack Obama in der kommenden Woche eine harte Position zu dem Thema einnehmen.
Quelle: ntv.de, hah/dpa/Reuters/AFP