Politik

Asyl nur Zwischenlösung Wie Snowden Südamerika erreichen kann

Am besten ist es für Snowden wohl, in einen Linienflieger zu steigen.

Am besten ist es für Snowden wohl, in einen Linienflieger zu steigen.

(Foto: REUTERS)

Whistleblower Snowden will nun doch in Russland Asyl annehmen - allerdings nur vorübergehend, wie es heißt. Sein Ziel bleibt Südamerika. Doch wie kann es der 30-Jährige schaffen, die weite Strecke zurückzulegen, ohne von den USA erwischt zu werden?

Selten haben sich so viele Menschen weltweit für Flugrouten interessiert: Als ein Jet der russischen Fluggesellschaft Aeroflot vor kurzem auf dem Weg von Moskau nach Havanna über dem Atlantik nicht die übliche Route flog, war das eine Nachricht, die rund um den Globus Wellen schlug. Einige Experten vermuteten sofort Edward Snowden an Bord, der versucht, den Luftraum der USA und ihrer Verbündeten zu umfliegen.

Das Gerücht bewahrheitete sich nicht - der wegen Landesverrats von den USA gesuchte Ex-Geheimdienstmitarbeiter versteckte sich weiterhin im Moskauer Airport Scheremetjewo. Doch nach Aussage von Fachleuten ist ein normaler Linienflug eine der besten Möglichkeiten für Snowden, um von Russland in eines der lateinamerikanischen Länder zu entkommen, die ihm Asyl gewähren wollen. Der Grund: Ein regulärer Passagierflug kann nicht so einfach gestoppt werden wie Privat- und Regierungsmaschinen.

Regierungsmaschinen leichter zu stoppen

Geregelt ist das alles einem kaum bekannten internationalen Vertragswerk, das dafür sorgt, dass der Luftverkehr reibungslos läuft. "Gemäß dem Chicagoer Abkommen haben Linienflüge das Recht, Länder zu überfliegen oder dort Tankstopps einzulegen, ohne diese Länder um Erlaubnis bitten zu müssen", sagt Luftfahrtanwalt Simon Phippard von der britischen Kanzlei Bird & Bird.

Regierungsflugzeuge hingegen benötigen die Einwilligung jedes Landes auf ihrer Route. Die USA und ihre Verbündeten nutzen diese Regeln knallhart aus, wie der bolivianische Präsident Evo Morales vorige Woche erfahren musste. Seine Maschine landete auf dem Weg von Moskau in die Heimat ungeplant in Wien, da einige europäische Staaten den Überflug verweigerten. Zuvor hatte das Gerücht die Runde gemacht, dass Morales Snowden als Gast mit an Bord habe.

Begründen müssen die Staaten das Flugverbot nicht. "Jeder Staat kann auf Basis seiner Souveränität das Recht ausüben, den Maschinen anderer Staaten den Überflug zu verbieten", sagt John Mulligan, Dozent am International Aviation Law Institute der DePaul University in Chicago. Wenig Klarheit besteht jedoch in der Frage, wann und unter welchen Auflagen Privatflugzeuge Länder überqueren dürfen oder nicht. Fachjuristen sind sich aber einig, dass ein gechartertes Flugzeug einfacher aufzuhalten ist als ein Linienflug.

CIA empfiehlt die Nordpol-Route

Snowden hatte den Umfang von US-Spionageaktivitäten aufgedeckt. Seitdem fahnden die US-Behörden nach ihm. Er war am 23. Juni von Hongkong nach Moskau geflogen und hält sich seitdem im Transitbereich des Flughafens auf. Die Enthüllungsorganisation Wikileaks teilte mit, der Computerexperte wolle zunächst in Russland Asyl beantragen. Sein Ziel sei aber früher oder später Lateinamerika. Auch wenn US-Präsident Barack zu Beginn der Affäre sagte, er werde "keine Kampfflugzeuge aufsteigen lassen, um einen 29 Jahre alten Hacker zu fassen", drohten die USA jedem Land mit Konsequenzen, das Snowden passieren lässt.

Direkte Flüge von Moskau nach Venezuela, Nicaragua und Bolivien - den drei südamerikanische Staaten, die Snowden Asyl angeboten haben - stehen nicht auf dem Flugplan. Deshalb tippten vor einigen Wochen viele Beobachter darauf, dass der Flüchtling nach seiner Ankunft aus Hongkong in Moskau sofort die nächste Maschine nach Havanna besteigt. Findige Journalisten hatten sich für diesen Flug sofort Tickets gesichert. Doch nach Aussagen von Flughafen-Angestellten änderte Snowden seine Pläne in letzter Minute - vielleicht, weil die Kuba-Flüge üblicherweise den US-Luftraum touchieren.

Vermutet wird, dass Snowden zusammen mit Wikileaks an einer Flugroute arbeitet, die ihn über mehrere Stationen ans Ziel bringt. Das müssten Länder sein, die den USA nicht eng verbunden sind. Die meisten Langstreckenrouten von Moskau nach Westen führen über Europa - das ist also keine Option. Theoretisch möglich ist es aber, von der russischen Hauptstadt nach Teheran und von dort weiter in den Sudan oder Angola zu flüchten - beides Länder, die den Zorn der USA nicht fürchten. Jedoch gibt es keine Flüge aus dem Iran in diese beiden afrikanischen Staaten. Auch die Ost-Route über Peking, Shanghai, Hanoi oder Ho-Chi-Minh-Stadt bietet keinen Ausweg, da einzelne Länder ihren Luftraum sperren könnten - zudem hat die chinesische Führung klar gemacht, dass sie Snowden nicht beschützen will.

Geografisch bleibt also nur die Flucht über den hohen Norden. Ein Privatflugzeug könnte den Flüchtigen über den Nordpol in den Südatlantik bringen, ohne über die USA oder ihre Alliierten zu fliegen. Offen ist aber, wo die Maschinen auf der etwa 11.000 Kilometer langen Strecke auftanken kann und wer die Rechnung übernehmen soll. Das Geschäftsflugzeug mit der größten Reichweite ist die Gulfstream G550 von General Dynamics - der Jet kann 12.500 Kilometer zurücklegen. Auftanken muss die Maschine unterwegs aber, um noch Sprit für Notfälle im Tank zu haben. Charterfirmen verlangen für den Flug von Moskau nach Caracas mindestens 100.000 Euro.

Boot oder Zug?

Snowden könnte sich auch ganz anders entscheiden und in Moskau die transsibirische Eisenbahn Richtung Osten nehmen. Dafür würde er aber die Transitzone des Flughafens verlassen und russischen Boden betreten müssen. Möglich wäre auch die Fahrt mit einem Botschaftsauto, das als exterritoriales Gebiet gilt. Wenn es von Russland nicht angehalten wird, könnte Snowden damit einen Ausflug auf der Autobahn machen, vielleicht nach Weißrussland - einem Staat, der den USA in herzlicher Abneigung verbunden ist.

Was die Russen auf keinen Fall wollen, ist die Wiederholung des Falls des iranischen Flüchtlings Mehran Karimi Nasseri, der 18 Jahre am Pariser Flughafen gestrandet war. Sein Schicksal wurde im Hollywood-Streifen "Terminal" verfilmt mit Tom Hanks in der Hauptrolle. In Russland war er diese Woche im Fernsehen zu sehen.

Quelle: ntv.de, Timothy Heritage, rts

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