Hin- und hergerissen zwischen Europa und Russland Will die Ukraine doch?
29.11.2013, 11:37 Uhr
Zuerst sagt die ukrainische Regierung ein fertiges Abkommen mit der EU ab - jetzt möchte sie es womöglich doch. Hinter den Kulissen des EU-Gipfels in Vilnius haben die Europäer offenbar doch überzeugendere Argumente gefunden als zuvor die Russen.
Ukraines Staatschef Viktor Janukowitsch will "in naher Zukunft" ein Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union schließen. Das sagte der Präsident vor Journalisten auf dem EU-Gipfel zur Ostpartnerschaft im litauischen Vilnius. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zuvor zugesagt, dass die EU der Ukraine kein zeitliches Limit für die Unterzeichnung des vorerst gescheiterten Assoziierungsabkommens setzen wolle. "Die Tür bleibt auf, da gibt es keinerlei zeitliche Konditionen", sagte Merkel. "Wir alle haben doch erlebt, dass geschichtliche Prozesse oft sehr lange dauern", fügte die Kanzlerin hinzu. Die Ukraine sei sehr stark mit Russland verwoben, darauf habe auch Janukowitsch hingewiesen.
Auf dem EU-Gipfel in Vilnius sollte das Abk ommen eigentlich heute unterzeichnet werden. Vor einer Woche jedoch hatte der ukrainische Präsident Janukowitsch überraschend einen Rückzieher gemacht. Grund für den unerwarteten Schwenk Janukowitschs war der Druck der russischen Regierung, die unter anderem angedroht hatte, die Belieferung der Ukraine mit Gas einzuschränken.
Keine erleichterten Bedingungen
Die Ukraine hatte auch beklagt, dass die EU sie angeblich nicht ausreichend finanziell unterstützt. Die Forderung etwa nach erleichterten Bedingungen für einen Kredit des Internationalen Währungsfonds lehnte Merkel jedoch ab. "Ich glaube, dass die Ukraine noch sehr viele eigene Reformen zu machen hat", sagte sie. Auch andere osteuropäische Staaten hätten schmerzhafte Reformen hinter sich. Deshalb könnten für die Ukraine keine Standards gelockert werden.
Ähnliche Assoziierungsabkommen wie das nun gescheiterte mit der Ukraine haben Vertreter der EU inzwischen mit den Ex-Sowjetrepubliken Moldawien und Georgien vorbereitet. Sie sollen im kommenden Jahr unterzeichnet werden. "Das ist ein großer Fortschritt, wenn man sieht, wie zum Teil auch Druck auf diese Länder ausgeübt wird mit Handelsbeschränkungen", sagte Merkel. "Für die EU möchte ich sagen, dass wir die Länder nicht enttäuschen werden."
Den drei osteuropäischen Staaten sagte Merkel Unterstützung der EU gegen Druck aus Russland zu. Der Ukraine bot sie an, dass die EU dem Land künftig Gas liefert, damit es sich aus der Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen befreien kann. "Letztlich hängt es an der Ukraine, ob sie den Mut hat, noch einen Schritt auf Europa zuzugehen, und dann wird die EU auch ein verlässlicher Partner sein."
Experte rät, Russland einzubeziehen
Kritisch äußerte sich der Geschäftsführer des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Rainer Lindner, zum Verhalten der EU. Es sei in der Vergangenheit vernachlässigt worden, Russland in die Gespräche mit dessen Ex-Teilrepubliken einzubeziehen, sagte Lindner im "Info-Radio" des RBB. Russland lasse sich als Handelspartner der Ukraine nicht schnell ersetzen. "Das ist auch nicht die Alternative, vor der ein solches Land stehen darf. Man darf nicht ein Entweder-Oder von ihm verlangen, sondern wir müssen in größeren Dimensionen denken. Freihandel insgesamt mit Osteuropa, auch mit Russland, das muss das Ziel sein." Es werde auch noch andere Länder geben, die in dieses Spannungsfeld zwischen der EU und Russland hineingeraten.
Die Präsidentin des Gipfel-Gastgeberlandes Litauen, Dalia Grybauskaite, kritisierte dagegen die Weigerung der ukrainischen Regierung, das Assoziierungsabkommen zu unterzeichnen. Viktor Janukowitsch wähle damit einen "Weg, der nirgendwohin führt".
Quelle: ntv.de, nsc/rts/dpa/AFP