Fünftgrößtes Land der Welt Willkommen im Club der Macht
01.10.2009, 11:15 Uhr
Die Millionen-Metropole Rio de Janeiro bewirbt sich um die Olympischen Spiele 2016.
(Foto: dpa)
Die Brasilianer sind im täglichen Umgang auf Harmonie bedacht. Ein klares "Nein" auf eine Bitte gilt als unhöflich. Wenn ein "Ja" schon nicht möglich ist, lautet das Motto: Lavieren und das Zauberwort "jeito", das heißt irgendwie einen geschmeidigen und wortreichen Weg, einen "Kniff" (jeito), finden, um doch ein wenig zu bewegen und das brüske Nein zu vermeiden. Diese diplomatische Urtugend ist seit jüngster Zeit außenpolitisch in den Hintergrund getreten, denn Brasilien schärft sein Profil als "global player" und scheut auch deutliche Worte nicht.
In der Krise in Honduras spielt Brasilien, wenn auch etwas ungewollt, eine Schlüsselrolle. Dort sitzt der gestürzte Präsident Manuel Zelaya seit über einer Woche abgeschottet in der brasilianischen Botschaft, von wo aus er seine Rückkehr ins Amt betreibt. Er kann so lange bleiben wie er will, versicherte Brasília. "Wir lassen uns von einer Putschregierung keine Ultimaten setzen", konterte Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die Aufforderung der honduranischen Übergangsregierung, binnen zehn Tage den Status Zelayas zu klären nach dem Motto: "Asyl oder Auslieferung".

Nicht nur dieser Demonstrant, auch Brasilien legt sich mit der Übergangsregierung in Honduras an.
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Brasilien weiß sich in seiner Ablehnung des Umsturzes im Einklang mit dem Großteil der Weltgemeinschaft. Doch auch ohne Begleitung scheut Brasilien keine klare Positionen. Lula trifft im November Irans umstrittenen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und will im Mai nach Teheran fliegen. Dies wird in den USA argwöhnisch beäugt, wo Geheimdienste seit langem mutmaßen, dass der Iran terroristische Zellen in Lateinamerika aufbauen will. Lula hingegen sieht in Ahmadinedschad zwar keinen Freund, aber doch den Präsidenten einer großen Nation, mit dem es viel zu besprechen gibt.
Öl stärkt das Selbstbild
Brasilien, das fünftgrößte Land der Welt, hat in Südamerika seine Führungsrolle zwar noch nicht abschließend gefunden, erhebt aber Anspruch auf einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat und vertritt bei der G20 selbstbewusst nicht nur eigene Interessen, sondern auch die der Entwicklungs- und Schwellenländer, die mehr Mitsprache und Einfluss fordern. Das G8-Format der sieben wichtigsten Industriestaaten plus Russland (G8) ist aus Sicht Lulas obsolet: "Die G20 sind das große Forum für Diskussionen über die Weltwirtschaft und haben die G8 ersetzt."
Getrieben wird Brasiliens Selbstbewusstsein durch riesige Erdölfunde vor der Küste, die Brasilien nach Worten seines Präsidenten mehr als 500 Jahre nach der Loslösung von der Kolonialmacht Portugal, eine "neue Unabhängigkeit" bescheren. Zudem ist Brasilien seit kurzem nicht mehr Nehmer- sondern Geberland des Internationalen Währungsfonds, und das Land hat die Rezession formal schon hinter sich und taucht viel früher als andere Länder aus der Krise wieder auf, was in vielen Hauptstädten Europas mit einer Mischung aus Bewunderung und Neid beobachtet wird.
Mit Frankreich ganz dicke

Im Kreis der Mächtigen: Bundeskanzlerin Merkel, der niederländische Ministerpräsident Jan Peter Balkenende (2.v.l.), Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva und US-Präsident Barack Obama (r.) unterhalten sich beim G20-Finanzgipfel in Pittsburgh.
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Bislang wurde Brasilien vor allem in der Rubrik "Samba, Fußball, Karneval" eingeordnet. Auch dies sind Zutaten für das positive Image des Landes und die Fußball-WM 2014 in Brasilien und die Chance auf die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro dürften dies noch bestärken. Solche Mega-Events werden in Brasília und auch international als Vertrauen in die Potenz der zehntgrößten Volkswirtschaft der Welt gewertet.
Als "global player" will Brasilien auch seine Streitkräfte modernisieren und begründet dies mit dem notwendigen Schutz seiner Ölvorkommen und der Kontrolle des riesigen Amazonas-Gebietes. Als Vorzugspartner hat sich Brasília Frankreich auserkoren und Milliarden-Deals zum Kauf von U-Booten und vermutlich auch von Jagdbombern auf den Weg gebracht. Auf dem Wunschzettel steht auch ein atomangetriebenes U-Boot und der Ehrgeiz der "Schwellenmacht" Brasilien geht offenbar noch weiter. Vize-Präsident José Alencar räsonierte vorige Woche in Abwesenheit von Lula öffentlich darüber, dass die Entwicklung von Atomwaffen doch von Vorteil sei.
Quelle: ntv.de, Helmut Reuter, dpa