Politik

Bofinger über Japan und die Eurokrise "Wir haben Schwierigkeiten vor uns"

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Die großen Ratingagenturen trifft die Hauptschuld an der Finanzkrise.

(Foto: Reuters)

Der Ökonom und Wirtschaftsweise Peter Bofinger erklärt bei n-tv.de, welche Auswirkungen die Atomkatastrophe in Japan auf die Weltwirtschaft haben könnte und warum die Finanzkrise in Europa noch lange nicht ausgestanden ist.

n-tv.de: Welche Auswirkungen hat die Katastrophe von Fukushima für die japanische Wirtschaft?

Peter Bofinger: Das ist im Augenblick schwer zu sagen. Die Frage ist, ob die Katastrophe auf den Raum Fukushima begrenzt bleibt oder auf Tokio übergreift. Das kann niemand voraussagen.

Welche Konsequenzen kann Fukushima für die Weltwirtschaft und die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Japan haben?

Japan ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Das Land hat aber eine eher geschlossene Volkswirtschaft. Der Anteil der Ex- und Importe an der Wirtschaftsleistung liegt bei 15 Prozent. Das ist ein Drittel von dem, was wir in Deutschland haben. Das bedeutet: Alles, was dort an Problemen auftritt, ist relativ auf Japan begrenzt. Auch die Außenhandelsbeziehungen zwischen unseren beiden Ländern sind vergleichsweise gering. Der Anteil unserer Ausfuhren nach Japan am Gesamtexport beträgt anderthalb Prozent. Die Importe liegen etwas darüber. Darum gibt es keine unmittelbaren Auswirkungen. Mittelfristig wird es aber Auswirkungen haben, weil es für die Weltwirtschaft einen ganz gewaltigen Angebotsschock gibt. Allen Beteiligten wird klar, dass unser aller Wohlstand zu einem großen Teil mit einem Energieträger erzeugt wird, der mit unübersehbaren Risiken verbunden ist. Das bedeutet: Man wird sich umorientieren müssen. Dadurch wird die Produktion teurer, was wiederum bedeutet, dass ein Teil des Wohlstands in der Energieversorgung landet. Insgesamt läuft das Ganze auf eine Dämpfung der Wachstumsperspektiven für die Weltwirtschaft hinaus.

Auch die Veränderungen im arabischen Raum stellen eine Zäsur dar. Welche Konsequenzen sehen Sie hier auf wirtschaftlicher Ebene für Deutschland und weltweit?

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Regierungsgegner protestieren in Sanaa. Sie fordern den Rücktritt von Jemens Präsident Saleh.

(Foto: REUTERS)

Die Auswirkungen sind deutlich begrenzt. Man weiß aber nicht, was sich aus alledem noch entwickelt. Problematisch wird es sicher, wenn diese Instabilität auf Saudi-Arabien übergreift. Da ist nichts hundertprozentig sicher. Bedenken Sie, dass auch die Kenner der Region von den Entwicklungen überrascht wurden.

Ein dritter Komplex ist die fortdauernd schwelende internationale Finanzkrise. Steht uns das dicke Ende noch bevor oder sind wir dabei, über den Berg zu kommen?

Man muss zwischen der internationalen und der europäischen Währungskrise unterscheiden. Ich sehe die Probleme vor allem im europäischen Raum. Da haben wir noch ganz erhebliche Schwierigkeiten vor uns, gerade was die Problemländer Griechenland, Irland und Portugal angeht. Man mutet diesen Staaten sehr viel zu. Aber es nicht so richtig klar, ob diese Radikalkuren sichtbare Erfolge bringen. Ziemlich wahrscheinlich ist ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit in Irland und Griechenland, die dann aber hoch bleiben wird. Auch die Verschuldung – bezogen auf die Wirtschaftsleistung - wird in den nächsten Jahren ansteigen und gleichfalls hoch bleiben. Ich sehe die große Gefahr, dass der politische Druck, aus dem Euroraum auszusteigen, wächst, weil die Bevölkerung das Gefühl hat, das wären verlorene Jahre. Die Stabilität der Währungsunion wird in den nächsten Jahren auf eine harte Probe gestellt.

Was aber haben die Regierungen seit dem offenen Ausbruch der Krise im Herbst 2008 unternommen, um künftige Krisen zu verhindern? Die Ratingagentur Moody’s hat vor wenigen Tagen den Daumen für Portugal gesenkt, das Land in seiner Kreditwürdigkeit abermals herabgestuft. Nun ist eine Regierungskrise ausgebrochen. Sollte man nicht etwas gegen diese schier unbegrenzte Macht der Ratingagenturen unternehmen? Wir reden seit Jahren über eine europäische Ratingagentur und kommen nicht voran.

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Wirtschaftswissenschaftler Peter Bofinger

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Das ist ein wichtiger Punkt. Meiner Meinung nach gehören die drei großen Ratingagenturen (neben Moody’s, Standard & Poor’s und Fitch, alle USA, M.B.) zu den Hauptschuldigen der Finanzkrise. Das hat für diese Institutionen keine Folgen gehabt: Sie machen fröhlich weiter. Bei der Schaffung des Europäischen Rettungsschirms geht alles nach Vorstellungen dieser Agenturen. Ganze Staaten müssen sich strecken, Wirtschaftsprüfungen vornehmen, damit man den Kriterien der Ratingagenturen gerecht wird. Ich plädiere seit langem dafür, eine unabhängige europäische Ratingagentur zu schaffen, die als Stiftung organisiert sein könnte und vor allem nicht gewinnorientiert sein sollte. So könnte ein Gegengewicht geschaffen werden. Es ist unverständlich, dass die Regierungen in dieser Hinsicht so inaktiv sind.

Riskieren wir soziale Unruhen, wenn Institutionen wie Ratingagenturen das Geschehen bestimmen? Ist steigende Arbeitslosigkeit kein wachsendes Risiko?

Wenn es so läuft, wie der Internationale Währungsfonds es prognostiziert und die Sparprogramme erfüllt werden und sich daran aller Voraussicht nach in den nächsten zwei, drei Jahren nichts ändert, wird es enormen politischen Widerstand geben. Es wird den Regierungen sehr schwer fallen, der Bevölkerung zu erklären, warum es sinnvoll ist, diese Programme fortzusetzen und warum es sinnvoll ist, in der Währungsunion zu bleiben.

Mit Peter Bofinger sprach Manfred Bleskin

Quelle: ntv.de

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