Ex-Präsident trägt vor Gericht Bundesverdienstkreuz Wulff will "allerletzten Vorwurf ausräumen"
14.11.2013, 12:15 Uhr
Wulff mit großem Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, "in der Ausführung, die man bei solchen Anlässen trägt".
(Foto: REUTERS)
Er habe sich "immer korrekt verhalten im Amt", sagt Christian Wulff vor dem Landgericht Hannover. Mit einem kleinen Anstecker im Knopfloch erinnert er daran, dass es nicht fair ist, ihn auf ein paar Rechnungen zu reduzieren.
Zum Prozessauftakt vor dem Landgericht Hannover hat sich Ex-Bundespräsident Christian Wulff sein Bundesverdienstkreuz ans Revers geheftet. Ein Orden mit hoher Symbolkraft: Kaum jemand spricht heute noch über Wulffs Verdienste, die es ja zweifellos gibt: seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit 2010 etwa, in der er sagte, der Islam gehöre zu Deutschland. Auch seine einfühlsame Reaktion auf die Mordserie der Terrorzelle NSU gehört dazu. Kein Bundespräsident vor ihm hat sich so um die Integration von Zuwanderern verdient gemacht.
Wulff findet es offenkundig unfair, wie er auf ein paar Rechnungen reduziert wird. Bereitwillig erklärt er, was es mit dem Anstecker an seiner Jacke auf sich hat. "Das ist das große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband, aber in der Ausführung, die man bei solchen Anlässen trägt."
Viele Fragen drängen sich an diesem Donnerstag auf, an dem erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein ehemaliges Staatsoberhaupt vor Gericht steht - die Ordensfrage ist sicher die banalste davon. Ist dieser Prozess wirklich notwendig? War der Umgang der Medien mit Wulff fair? Und hätte er nicht Bundespräsident bleiben können?
Fader Beigeschmack
Auf keine dieser Fragen gibt es die eine richtige Antwort. Nach ihrem Ermittlungsverfahren war zumindest die Staatsanwaltschaft zu dem Schluss gekommen, dass eine Anklageerhebung unausweichlich ist. Das Landgericht Hannover nahm die Klage an, wenn sie den Vorwurf der Bestechlichkeit auch auf Vorteilsannahme abschwächte. Aus juristischer Perspektive spielt es eben keine Rolle, ob es um 750 oder um 7500 Euro geht.

Christian Wulff im Saal 127 des Hannoveraner Landgerichts. Mitangeklagt ist der mit ihm befreundete Filmmanager David Groenewold (r.).
(Foto: REUTERS)
Aber natürlich hat der Prozess einen reichlich faden Beigeschmack. Es war schließlich die Ankündigung, ein Ermittlungsverfahren gegen Wulff einleiten zu wollen, die den Rücktritt des Bundespräsidenten im Februar 2012 auslöste. Die Vermutung liegt nahe, dass die Staatsanwälte sich angesichts der Folgen ihrer Ermittlungen gezwungen sahen, am Ende auch Anklage zu erheben. Doch das ist reine Spekulation.
Wulff wurde zur Peinlichkeit
Sicher ist, dass auch ohne Ermittlungsverfahren ein Rücktritt unvermeidlich gewesen wäre. Wulff war ein Präsident, der keinen Respekt mehr genoss. Kaum ein CDU-Politiker war noch bereit, den Parteifreund in Talkshows zu verteidigen. Bei den Empfängen im Schloss Bellevue wurden Anfang 2012 die Gästelisten immer kürzer. Als Wulff am Rande der Berlinale 250 Schauspieler und Regisseure einlud, kamen nur 100 Gäste.
Der österreichische Regisseur Hans Weingartner sagte damals als Grund für seine Absage, er wisse einfach nicht, was er Wulff erwidern sollte, wenn dieser ihn nach Freikarten für seinen neuen Film fragen würde. Wulff war zur peinlichen Lachnummer geworden. In einer Forsa-Umfrage vom Februar 2012 sagten 52 Prozent der Befragten, er solle zurücktreten. Vor dem Schloss Bellevue hielten Demonstranten zum Zeichen ihrer Verachtung Schuhe hoch.
Haltlose Vorverurteilungen
Die Bitte der Staatsanwaltschaft an den Bundestag, die Immunität des Bundespräsidenten aufzuheben, war da nur der letzte Tropfen - auch ohne Ermittlungsverfahren hätte Wulff sich nicht im Amt halten können. Das lag sicher nicht nur am Inhalt der Vorwürfe, sondern auch an der Art, wie sie Vorwürfe präsentiert wurden. In der damaligen Debatte habe Wulff "zahlreiche, aus heutiger Sicht haltlose Vorverurteilungen erfahren", sagte der niedersächsische CDU-Generalsekretär Ulf Thiele n-tv.de.
Allerdings offenbarte der Fall Wulff auch eine Kluft zwischen Politik und Bevölkerung. In Deutschland erwartet ein großer Teil der Bürger von den Politikern mehr, als sich nur an Recht und Gesetz zu halten. Wulff sah und sieht sich dagegen als Opfer einer Medienkampagne. Auch diese Sicht ist nachvollziehbar. Der 54-Jährige hat in dieser Affäre sein Amt, seine Frau, sein Haus und sein gesamtes früheres Leben verloren. Angemessen war das sicher nicht. Und dennoch war es Wulff, der sich angreifbar gemacht hatte, indem er versäumte, den Anschein zu vermeiden, sich in finanzielle Abhängigkeiten von Dritten zu begeben.
Das ist der Punkt, den Wulff bis heute nicht verstanden zu haben scheint. "Ich bin ganz sicher, dass ich auch den allerletzten verbliebenen Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt", sagte Wulff vor Beginn des Prozesses. "Das muss jetzt entschieden werden."
Quelle: ntv.de