Politik

Militärische Ehren für Wulff Zapfenstreich des Amtes willen

Es ist der letzte Akt im Staatsdrama um Wulff: Der Ex-Präsident wird mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. Und wie alles um Wulff derzeit, wird auch die Zeremonie zu einem Politikum. "Das ist wie bei einer üblen Schlägerei", sagt dessen Biograf Müller-Vogg n-tv.de. Und relativiert: "Die Verfehlungen, derentwegen Wulff zurücktreten musste, liegen alle vor seiner Zeit als Präsident."

Der Termin, auf den sich verdiente Präsidenten und Kanzler so zu freuen pflegen, ist nun auch für das zurückgetretene Staatsoberhaupt Christian Wulff gekommen. Mit dem Großen Zapfenstreich vor dem Schloss Bellevue wird der Niedersachse aus dem Amt verabschiedet. Zu seinen Ehren spielt das Musikcorps der Bundeswehr vier Wunschlieder, unter anderen "Over the rainbow" von Harold Harden. Im Vorfeld gibt Übergangsstaatsoberhaupt Horst Seehofer einen Empfang, rund 200 Gäste sollen kommen.

Doch es droht eine peinliche Veranstaltung zu werden für den Niedersachsen, der - nicht ganz unverschuldet - schon in den vergangenen Wochen so viel über sich ergehen lassen musste. Wulff wird vorgeworfen, in seiner Zeit als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt gewesen zu sein, die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt. Auch wenn nichts erwiesen ist: Seit Tagen fragt sich die Republik, ob dem so viel Gescholtenen mit getragenen Klängen der Übergang in den bekanntlich bestens bezahlten Ruhestand versüßt werden darf?

Teile des Kabinetts schwänzen

Geladene Politiker winden sich: Die noch lebenden Altpräsidenten Richard von Weizsäcker, Roman Herzog, Horst Köhler und Walter Scheel haben sich gegen eine Teilnahme an der militärischen Abschiedszeremonie entschieden. Köhler weilt im Ausland, Herzog zieht einen Auftritt vor einer Mittelstandsvereinigung vor, Scheel schiebt sein hohes Alter vor und Weizsäcker schweigt sich zu den Gründen seiner Absage aus.

Selbst unter einst Getreuen hagelt es Absagen. Das Kabinett Merkel wird nicht komplett vor Schloss Bellevue antreten. Die Kanzlerin selbst und Vizekanzler Philipp Rösler wollen zwar kommen, auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière kann sich als für die Bundeswehr zuständiger Ressortchef kaum entziehen. Andere, wie Arbeitsministerin Ursula von der Leyen oder Innenminister Hans-Peter Friedrich, halten sich von der Zeremonie lieber fern. Doch Wulff bleibt dabei: Für eine aus dem Amt scheidenden Präsidenten ist es Usus, einen Großen Zapfenstreich zu veranstalten. Basta.

Zapfenstreich ja, aber später

Hugo Müller-Vogg

Hugo Müller-Vogg

(Foto: picture-alliance / dpa)

Der Volkszorn ist ihm dabei gewiss. Bei einer nicht repräsentativen n-tv.de-Umfrage wurden 9000 Stimmen abgegeben, 85 Prozent davon waren dafür, dass der Zapfenstreich abgeblasen wird.

Dabei hätte Wulff verhindern können, dass die Veranstaltung zu einem derartigen Politikum wird, sagte der Kolumnist und Wulff-Biograf Hugo Müller-Vogg n-tv.de: "Er hätte die Ehrung annehmen und den Termin zunächst offen lassen sollen. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre der Wirbel sicher nicht mehr so groß gewesen."

Den großen Zapfenstreich nun aber abzusagen, davon hält Müller-Vogg nichts: "In seiner Zeit als Präsident hat Wulff nichts getan, was man ihm vorwerfen könnte. Die Verfehlungen, derentwegen er zurücktreten musste, liegen ja alle vor dieser Zeit."

Kahrs hat Mitleid mit Soldaten

Dennoch: Die Opposition wütet. Zuletzt polterte SPD-Chef Sigmar Gabriel: "Da wird einer, der im Amt gescheitert ist, so verabschiedet, als habe er Großes für Deutschland geleistet", sagte Gabriel den "Stuttgarter Nachrichten". Dass der zurückgetretene Wulff nicht auf die militärische Ehrerweisung verzichte, sei "kaum auszuhalten".

Der Sprecher des Seeheimer Kreises, Johannes Kahrs, wünschte sich bei n-tv, man hätte den Großen Zapfenstreich für das aufgehoben, für das es ihn gebe: "Nämlich für eine ehrenvolle Verabschiedung, für den Dank gegenüber Leuten, die was für dieses Land getan haben. Mir tun die Kameraden leid, die da stehen müssen, weil es ihnen befohlen wird."

Müller-Vogg beklagt "verlogene" Debatte

Die SPD-Spitze will die Veranstaltung denn auch nicht besuchen: Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier werde sich vertreten lassen, schreibt die "Welt". Generalsekretärin Andrea Nahles sagt, ihr sei "niemand bekannt, der aus der SPD-Führung daran teilnimmt". Wulff-Biograf Müller-Vogg kontert: "Es fällt auf, dass da Oppositionspolitiker ihren Boykott angekündigt haben, die gar nicht eingeladen sind. Das ist peinlich für die Möchtegern-Boykotteure."

Der Debatte um den Großen Zapfenstreich vorausgegangen war eine breite Diskussion darüber, ob die lebenslange Zahlung eines Ehrensolds sowie ein Büro und ein eigener Fahrer für Christian Wulff in Ordnung sind. Eine Diskussion, die Müller-Vogg "verlogen" nennt: "Wenn ein Politiker Fehler begeht und ihn die Öffentlichkeit zu seinem Rücktritt zwingt, trachten ihm die Leute immer sofort nach den Bezügen. Das ist wie bei einer besonders üblen Schlägerei. Wenn einer am Boden liegt, dann tritt man auch noch auf ihn drauf."

Im speziellen Fall Wulff wirbt Müller-Vogg um Verständnis: "Der Mann ist jetzt 52. Seine politische Karriere ist am Ende. Es ist schwer für ihn einen neuen Job zu finden, der auch mit der Würde des Amtes vereinbar ist. Ein Ex-Bundespräsident kann nicht als Rechtsanwalt ein Schild raushängen 'Fachanwalt für Scheidungsrecht'."

Doch zunächst also der Zapfenstreich. Er wird, aller Kritik zum Trotz, nun unweigerlich stattfinden. Und darin liegt womöglich auch eine Chance: Dem Amt die Würde zurückzugeben, die in den vergangenen Wochen so sehr gelitten hat. Denn, so erinnert Müller-Vogg: "Mit diesem Zapfenstreich wird eben nicht in erster Linie Christian Wulff als Person geehrt, sondern die Institution des Bundespräsidenten."

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