Richter setzt NSU-Prozess aus Zschäpe vertraut ihren Verteidigern nicht mehr
16.07.2014, 14:49 Uhr
Zschäpe (r.), Sturm (l.) und Heer bei einer der letzten Verhandlungen.
(Foto: dpa)
Mitten in der Befragung des früheren V-Mannes und Neonazis Tino Brandt, am 128. Verhandlungstag, trennt sich Beate Zschäpe völlig überraschend von ihren Verteidigern. Für die Mitteilung setzt sie einen Boten ein.
Die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe hat ihren drei Verteidigern das Vertrauen entzogen. Das teilte der Vorsitzende Richter im NSU-Prozess, Manfred Götzl, überraschend im Prozess vor dem Oberlandesgericht München mit.
Wie Gerichtssprecherin Margarete Nötzel n-tv.de bestätigte, hatte Zschäpe einem Vorführbeamten gesagt, dass sie das Vertrauen in ihre Anwälte verloren habe. Götzl fragte sie daraufhin in der Verhandlung, ob das so sei. Zschäpe bestätigte dies mit einem Nicken. Daraufhin setzte Götzl das Verfahren bis zum kommenden Dienstag aus. Ob Zschäpes Äußerung einen förmlichen Mandatsentzug darstellt, ist noch unklar.
Zschäpe wurde bisher von dem Kölner Fachanwalt für Strafrecht, Wolfgang Heer, dem Koblenzer Strafrechtler Wolfgang Stahl und der Anwältin Anja Sturm vertreten. Vor allem zu Beginn des Prozesses hatten die Anwälte Kritik auf sich gezogen, als sie immer wieder Befangenheitsanträge stellten und sich in zum Teil lautstarke Diskussionen mit Götzl verstrickten. Auch die Verteidigungsstrategie, die daraus besteht, dass Zschäpe beharrlich schweigt, war kritisiert worden. Zuletzt gab es jedoch kaum noch Diskussionen über ihre Arbeit.
Bis Donnerstagmittag hat Zschäpe nun die Möglichkeit, ihren Vertrauensverlust zu begründen. Die Pflichtverteidiger können nur dann vom Gericht entlassen werden, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Anwälten nachhaltig zerstört ist. In einer Stellungnahme muss der Senat entscheiden, ob das in diesem Fall gegeben ist. Sollten Heer, Stahl und Sturm tatsächlich Zschäpe nicht weiter verteidigen, müssten zunächst neue Pflichtverteidiger bestellt werden. Diese Anwälte bräuchten dann Zeit, um sich in den Prozess einzuarbeiten. Laut Nötzel wären Verzögerungen im NSU-Prozess dann "nahezu unvermeidbar".
Brandt plaudert weiter
Eigentlich ging es in dieser Woche um die Vernehmung des früheren V-Mannes und Neonazis Tino Brandt. Bevor Zschäpes Entscheidung bekannt wurde, hatte Brandt von den Bemühungen der rechtsextremen Szene berichtet, Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Zschäpe nach deren Verschwinden 1998 wieder eine Rückkehr aus dem Untergrund zu ermöglichen. Die Thüringer rechte Szene habe dies gewollt, "weil sie ja durchaus gefehlt haben", sagte Brandt.
Brandt zufolge sollte der damals zum NPD-Bundesvorstand zählende Anwalt Hans Günther Eisenecker bei den Ermittlungsbehörden prüfen, ob "sozial verträglich" mit der Aussicht auf eine nur geringe Strafe eine Rückkehr der drei möglich wäre. Eisenecker habe auch eine Vollmacht zur Vertretung Zschäpes gehabt - wer ihm diese Vollmacht übergeben habe, wisse er aber nicht mehr, sagte Brandt.
Immer wieder Südafrika
Das NSU-Trio war nach dem Entdecken ihrer Bombenwerkstatt in Jena untergetaucht. Wie Brandt weiter sagte, gab es zudem Gespräche über eine mögliche Flucht nach Südafrika. Es sei vorgesehen gewesen, dass Böhnhardt und Mundlos nach Südafrika gehen und sich die strafrechtlich nicht zu belangende Zschäpe in Deutschland stellt.
Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden unter anderem zehn Morde und zwei Bombenanschläge angelastet. Die Taten sollen die mutmaßlichen Rechtsterroristen aus Ausländerhass verübt haben. Aufgeflogen war die Gruppe erst, nachdem sich Mundlos und Böhnhardt nach einem missglückten Banküberfall 2011 das Leben genommen hatten. Zuvor hatte das Trio jahrelang unerkannt im Untergrund gelebt.
Quelle: ntv.de, sba/dpa