Probleme mit dem Masern-Schutz Zu wenige Kinder sind ausreichend geimpft
17.07.2013, 20:56 Uhr
Die Masern können auch für kleine Kinder gefährlich werden.
(Foto: picture alliance / dpa)
Forscher schlagen Alarm: Nur etwa jedes dritte Kleinkind wird in Deutschland laut einer Studie ausreichend und rechtzeitig gegen Masern geimpft. Am schlechtesten seien die Impfquoten in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen.
Nur etwa jedes dritte Kleinkind in Deutschland wird einer Studie zufolge zur rechten Zeit und ausreichend gegen Masern geimpft. Das haben Wissenschaftler vom Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigungen für eine Studie berechnet. 37 Prozent der Kinder erhalten demnach vor ihrem zweiten Geburtstag die zwei Impfungen in den Monaten, die von der Ständigen Impfkommission empfohlen werden.
Für die Ausrottung der Krankheit ist weltweit eine flächendeckende Impfquote von über 95 Prozent nötig. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich dieses Ziel bis 2015 auf die Fahnen geschrieben. Seit 1973 gehört die Immunisierung zu den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission in Deutschland.
Am weitesten von der von der WHO angestrebten Quote entfernt sind laut der Erhebung die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Bremen. In Bayern und Berlin waren im ersten Halbjahr 2013 die meisten Masern-Fälle registriert worden.
Gefährliche Folgen für Kinder in Erziehungseinrichtungen
Die Ständige Impfkommission empfiehlt den Forschern zufolge, dass die erste Impfung vom 9. bis 14. Lebensmonat erfolgt, die zweite vom 15. bis 23. Monat. Viele Kinder werden jedoch nicht in diesen genauen Zeitfenstern geimpft. Rechne man die Kinder hinzu, die die Spritzen zwar bis zum zweiten Geburtstag, aber außerhalb der genannten Monate erhielten, dann seien im Bundesdurchschnitt insgesamt rund 60 Prozent der Zweijährigen zweimal geimpft.
"Impflücken bei Kleinkindern können beispielsweise in Kindertagesstätten fatale Folgen haben, wenn die Infektion bei einem lokalen Masernausbruch eingeschleppt wird", warnte die Leiterin der Forschergruppe, Sandra Mangiapane. Bei drei bis fünf Prozent der Kinder schlage die erste Impfung nicht an.
Bei den Masern handelt es sich um eine hochansteckende Viruserkrankung. Übertragen wird das Virus über eine Tröpfcheninfektion, also etwa beim Husten, Niesen oder engen Kontakt.
Erkrankte bekommen nach etwa 10 bis 12 Tagen hohes Fieber. Weitere Anzeichen sind Husten, rote, wässrige Augen und weiße Flecken im Mund. Nach etwa 14 Tagen tritt ein roter, fleckiger Ausschlag auf, der sich auf dem ganzen Körper ausbreitet.
"Bezogen auf die Studienpopulation bedeutet dies, dass zwischen 14.000 und 23.000 Kinder, die eine Erstimpfung bekommen haben, bis zur Zweitimpfung nicht geschützt sind, obwohl die Eltern das denken", sagte die Studienautorin Maike Schulz. Die Ständige Impfkommission empfiehlt ebenfalls eine zweifache Impfung.
Die Forscher vom Versorgungsatlas haben in ihrer Erhebung die Daten von mehr als 550.000 Kindern ausgewertet, die im Jahr 2008 geboren wurden. Das sind 81 Prozent des gesamten Jahrgangs. Der Versorgungsatlas wird vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung betrieben. Die Analysen seiner Forscher basieren auf den bundesweiten Abrechnungsdaten der Vertragsärzte.
Auch die jüngsten Masern-Ausbrüche zeigen nach Meinung der Forschergruppe, dass die Impfquoten in Deutschland zu niedrig liegen und der Impfschutz in vielen Regionen sehr löchrig ist. In Erftstadt bei Köln musste vor kurzem eine Waldorfschule geschlossen bleiben, nachdem dort mehr als zehn Schüler an Masern erkrankt waren. Nur ein Viertel der Schüler konnte einen Impfschutz nachweisen. Allein im ersten Halbjahr 2013 wurden dem Robert-Koch-Institut mehr als 1070 Fälle gemeldet, der Großteil davon in Bayern (478) und Berlin (400).
Jeder fünfte Erwachsene hat sich nicht immunisieren lassen
Nicht nur bei Kindern gibt es Lücken im Impfschutz: Jeder fünfte Erwachsene in Deutschland ist einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov zufolge nicht gegen die Masern geimpft. Die Meinungsforscher befragten insgesamt 1051 Bürger ab 18 Jahren. Nur 67 Prozent der Interviewten gaben an, gegen Masern geimpft zu sein. 21 Prozent haben demnach keinen Impfschutz gegen das Virus, 12 Prozent wissen nicht, ob sie immunisiert wurden.
Ärztevertreter und Politiker hatten zuletzt verpflichtende Schutzimpfungen ins Gespräch gebracht, darunter zwischenzeitlich auch Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr. Zudem erwägt das Gesundheitsministerium, nicht geimpfte Schüler bei einem Masern-Ausbruch in ihrer Schule künftig auf Zeit vom Unterricht auszuschließen. Bisher geht das nur bei bereits erkrankten Kindern.
Die Masern gelten als eine hochansteckende Krankheit. Schwere Komplikationen sind selten, aber es gibt sie. Weltweit erliegen immer wieder zahlreiche Menschen der Viruserkrankung. Im Jahr 2011 starben beispielsweise 158.000 Erkrankte an den Masern, berichtete die WHO. 95 Prozent der Todesopfer stammten demnach nach aus armen Ländern mit einem schwachen Gesundheitssystem.
Besonders gefährlich kann die Krankheit laut der WHO für kleine Kinder und Schwangere werden. Infizieren kann sich aber jeder, der nicht immun gegen die Krankheit ist. Impfungen hätten dazu beigetragen, die Zahl der Todesopfer stark zu verringern. So sei die Todesrate in den Jahren zwischen 2000 und 2011 um 71 Prozent gesunken.
Quelle: ntv.de, hah/dpa