Politik

Bilanz der Postfaschistin Zwei Jahre Meloni: Mehr Strafen, weniger Rechte

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Meloni ist seit nunmehr zwei Jahren im Amt. Kritiker werfen ihr eine Orbanisierung Italiens vor.

Meloni ist seit nunmehr zwei Jahren im Amt. Kritiker werfen ihr eine Orbanisierung Italiens vor.

(Foto: picture alliance / Photoshot)

Die Opposition warnt von einer Orbanisierung des Landes. Noch ist es in Italien nicht so weit wie in Ungarn Sicher ist aber, dass immer wieder versucht wird, mit neuen Gesetzen Rechte zu beschneiden.

Es war der 22. Oktober 2022, als die jetzige Rechts-Mitte-Regierung mit Giorgia Meloni, Premierministerin und Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia (FdI) an der Spitze, die Führung Italiens übernahm. Zwei Jahre sind seitdem verstrichen. An der Außenpolitik hat sich nichts geändert, an der Innenpolitik dagegen schon. Vor allem, was das Strafgesetzbuch betrifft. Die liberale Tageszeitung "Il Foglio" nennt das eine "Verbotsmanie". In den 24 Monaten hat sie 48 neue Straftaten ausgemacht, die zusätzliche 417 Haftjahre bedeuten.

Wer Sanitätspersonal angreift, was immer öfter vorkommt, muss mit bis zu sechs Jahren Haft rechnen, wer Gemälde und Bauten beschmutzt, mit sechs Monaten. Für illegale Raves gibt es sechs Jahre, wer Lehr- und Schulpersonal generell angreift, bekommt vier Jahre Freiheitsstrafe.

So weit, so normal. Was aber vielen Sorge bereitet, sind die wiederholten Versuche, die Zivilrechte zu beschneiden. Das jüngste und eklatanteste Beispiel ist der Albanien-Italien-Deal. Dieser sieht unter anderem vor, dass nur Migranten aus sicheren Herkunftsländern nach Albanien gebracht werden dürfen. Dort sollen sie den Asylantrag stellen. Die ersten zwölf Migranten, die letzten Mittwoch im Aufnahmelager in Albanien landeten, kamen aus Ägypten und Bangladesch - zwei Länder, die für Rom sichere Staaten sind, für den Europäischen Gerichtshof jedoch nicht. Die Richter in Rom hielten sich an dessen Vorschriften, weswegen die Migranten nach Italien gebracht werden mussten. Meloni und ihre Koalitionspartner zeigten sich entrüstet, beschuldigten die Richter der politischen Befangenheit und versprachen, umgehend Maßnahmen zu ergreifen.

Harte Maßnahmen gegen Seenotretter

Die Italien-Albanien-Affäre ist die jüngste Folge der restriktiven Migrationspolitik der Regierung Meloni. Gleich nach Amtsübernahme wurden Verordnungen erlassen, um den NGOs die Rettungsaktionen zu erschweren. Seitdem dürfen die Schiffe nur noch eine Rettungsaktion durchführen und müssen dann sofort den zugewiesenen Hafen anlaufen. Der liegt meistens mehrere Schiffstage entfernt ist. Wer dagegen verstößt, muss damit rechnen, dass das Schiff bis zu 60 Tage beschlagnahmt und eine Geldstrafe zwischen 2.000 und 10.000 Euro verhängt wird.

Eine weitere Maßnahme, die letzte Woche vom Parlament verabschiedet wurde, betrifft das Thema Leihmutterschaft. Diese ist in Italien seit 2004 verboten. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zwei Jahren sowie eine Geldstrafe von 600.000 bis einer Million Euro vor. Jetzt kam ein neuer Paragraf hinzu, der Leihmutterschaft zu einem "Universaldelikt" erklärt. Das heißt, dass sich italienische Staatsbürger auch dann strafbar machen, wenn sie im Ausland darauf zurückgreifen.

"Freilich kann man gegen die Praktik der Leihmutterschaft sein", sagt die Familiensoziologin Chiara Saraceno im Gespräch mit ntv.de. "Dieser Regierung geht es aber nicht wirklich darum, sondern vielmehr, ihre Vision der Familie durchzusetzen." Was sie darunter versteht, kann man an den 100 Euro Bonus sehen, der dieses Jahr zusätzlich zum Weihnachtsgeld ausbezahlt wird. Aber nicht an alle, sondern nur an Ehepaare mit Nachwuchs. Paare, die Kinder haben, aber nicht verheiratet sind, gehen leer aus. Genauso wie die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften, die auch aus einem anderen Grund im Visier der Regierung stehen.

Was ist mit dem Demonstrationsrecht?

Schon wenige Monate nach Amtsübernahme ordnete Innenminister Matteo Piantedosi an, bei gleichgeschlechtlichen Paaren nur die biologische Mutter oder den biologischen Vater als Elternteil zu registrieren. Partnerin oder Partner müssten stattdessen einen Adoptionsantrag stellen.

"Für diese Regierung gibt es keine Universalrechte, sondern nur Rechte, die sie jenen, die ihr wohlgesinnt sind, gewährt", meint wiederum die Politologin Nadia Urbinati im Gespräch mit ntv.de.

Da ist zum Beispiel das Demonstrationsrecht. Bei ihrer ersten Rede im Senat versicherte Meloni, sie werde dieses nicht antasten. Sie selbst habe in ihrer Jugend an vielen Demos teilgenommen. Mittlerweile wankt das Versprechen jedoch. Das zeigen Vorfälle im vergangenen Februar.

Bei Pro-Palästina-Demos, die von Schülern in Florenz und Pisa organisiert worden waren, fühlten sich die Sicherheitskräfte von den Studenten bedrängt und wehrten sich, indem sie gnadenlos auf sie einprügelten.

Das vor einer Woche verabschiedete Sicherheitspaket schränkt das Demonstrationsrecht weiter ein. Die Opposition nennt das Paket "Anti-Gandhi-Gesetz", weil es friedlichen Sit-in-Demonstranten, die den Verkehr blockieren, mit bis zu zwei Jahren Haft droht.

Leere Versprechen?

Meloni hat immer wieder beteuert, ihre Regierung werde das bestehende Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen nicht antasten. Bei der Abschlusserklärung des G7-Gipfels im Sommer verhinderte sie dann aber ein klares Bekenntnis zu diesem Recht. In Italien wurde das Gesetz zwar bislang tatsächlich nicht geändert. Frauen, die sich für eine Abtreibung entschieden, stehen jetzt aber unter größerem Druck. Vor allem wegen der Pro-Vita-Organisationen, deren Mitglieder sie vor und nach dem obligatorischen Beratungsgespräch abpassen und bedrängen, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken.

Und dann ist da noch das Kapitel Medien und Journalisten. Interviews gibt Meloni grundsätzlich nur den regierungsaffinen Medien. Ansonsten bevorzugt sie Videonachrichten über ihre sozialen Accounts.

Die meisten Regierungen Italiens haben versucht, die Berichterstattung der öffentlichen Fernseh- und Rundfunkanstalt RAI zu beeinflussen. Neu ist aber die Unverfrorenheit, mit der das jetzt geschieht. So wurde einen Tag vor dem Nationalfeiertag vom 25. April, an dem die Italiener die Befreiung vom Nazifaschismus feiern, ein Beitrag des Schriftstellers Antonio Scurati, Autor einer Trilogie über Mussolini, kurzerhand abgesagt. Warum? Das weiß man bis heute nicht.

Diese Woche wiederum durfte Matteo Salvini während der Abendnachrichten ganze vier Minuten gegen die Richter wettern, die die Migranten in Albanien nach Italien geholt hatten. Die Opposition warnt schon vor einer "Orbanisierung" Italiens. Das mag übertrieben sein. Noch.

Quelle: ntv.de

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