Falsche Spur gelegt? Zweifel am Tod von Heim
05.02.2009, 19:21 UhrDie angeblichen Beweise für den Tod des meistgesuchten NS-Verbrechers Aribert Heim sind bei Fahndern und Nazi-Jägern auf große Skepsis gestoßen. Deutsche Ermittler wollen in Ägypten die sterblichen Überreste Heims aufspüren. Es werde ein entsprechendes Rechtshilfeersuchen an die ägyptischen Behörden geben, sagte der Sprecher des Landeskriminalamts Baden-Württemberg, Horst Haug, in Stuttgart. Auch die österreichischen Behörden gehen den jüngsten Hinweisen nach, Heim sei 1992 in Kairo gestorben.
Es sei zweifelhaft, ob der als "Dr. Tod" berüchtigte Arzt vor mehr als 16 Jahren in Ägypten gestorben sei, sagte der Leiter des Simon-Wiesenthal-Zentrums, Ephraim Zuroff. "Wir haben kein Grab, wir haben keine Leiche, wir haben keine DNA."
Dagegen sagte Haug, die deutschen Zielfahnder hätten seit kurzem "ernstzunehmende Informationen" aus dem persönlichen Umfeld Heims, dass der ehemalige KZ-Arzt vermutlich 1992 in Ägypten gestorben sei. Mit den Ermittlungen in Kairo solle die Identität Heims "mit letzter Sicherheit" geklärt werden.
Lügt der Sohn des Nazi-Verbrechers?
Nazi-Jäger Zuroff und die weltweit größte Fahndungsstelle für NS-Verbrechen in Ludwigsburg forderten eine detaillierte Untersuchung. Der stellvertretende Leiter der Ludwigsburger Behörde, Joachim Riedel, äußerte sich ebenfalls skeptisch zu den Berichten über den Tod Heims. "Ich glaube es erst, wenn die Leiche identifiziert werden könnte", sagte Riedel. Er hielt es für denkbar, dass in diesem Fall mutwillig "falsche Spuren" gelegt worden sein könnten. Er sei noch nicht überzeugt vom Wahrheitsgehalt der Berichte von ZDF und "New York Times", denen zufolge Heim am 10. August 1992 im Alter von 78 Jahren in Kairo an Krebs gestorben ist. "Es kann gut sein, dass da jemand an der Nase herumgeführt werden soll." Behörden-Chef Kurt Schrimm hatte den NS-Verbrecher zuletzt lebend in Südamerika oder Spanien vermutet.
Zuroff sagte, es mache "absolut keinen Sinn, was hier gerade passiert". Er hegt den Verdacht, der in Heims früherem Haus in Baden-Baden lebende Sohn Rüdiger habe die ganze Sache orchestriert und die Informationen an die Medien gegeben. Vor fünf Monaten habe Rüdiger Heim noch gesagt, er habe keinen Kontakt zu seinem Vater gehabt. "Entweder hat er damals gelogen oder er lügt heute", sagte Zuroff.
Der Vorsitzende Richter des zuständigen Landgerichts Baden-Baden, Hein Heister, sprach zwar von einer "absolut hilfreichen und sorgfältig recherchierten Spur". Er betonte allerdings auch: "Es gibt unterschiedliche Interessenlagen. Und selbst wenn das genannte Material authentisch ist, wäre es kein ausreichender Beweis für den Tod Heims."
Trotz fehlender Beweise Fahndungsliste aus dem Netz
Nach den dem LKA und dem Landgericht Baden-Baden vorliegenden Informationen soll Heim seit 1963 unter falschem Namen in Ägypten gelebt haben und dort 1992 beerdigt worden sein. Bereits 1965 und 1967 waren demnach beim LKA Hinweise eingegangen, wonach der ehemalige KZ-Arzt in Ägypten tätig gewesen sein soll. Eine damalige Überprüfung durch die ägyptischen Behörden auf Ersuchen der deutschen Ermittler konnte dies laut LKA aber nicht bestätigen.
Das LKA will nun die neuen Hinweise überprüfen. Bestätigen will die Behörde den Tod des Verbrechers nicht - "Für einen 100-prozentigen Beweis brauchen wir die sterblichen Überreste des Toten", so ein Sprecher ? aber den Fahndungsaufruf hat das LKA bereits von der Homepage der Polizei genommen. Der Fall Heim sei bereits am Mittwochabend aus dem Internet entfernt worden. "Wir versprechen uns aktuell keine zielführenden Hinweise", sagte ein LKA-Sprecher in Stuttgart zur Begründung. Sollten sich die Berichte über Heims Tod jedoch nicht bewahrheiten, könne die Fahndung jederzeit wieder aktiviert werden. Auf der Internetfahndungsseite der Polizei wurde seit 1997 nach Heim gesucht.
Deutschland ignoriert österreichischen Haftbefehl
Die österreichischen Behörden gehen Hinweisen auf Heims Ableben in Kairo ebenfalls nach. Die Polizei werde das überprüfen, sagte der Sprecher der Linzer Staatsanwaltschaft, Rainer Schopper. Bereits 1948 seien in Österreich gegen Heim Ermittlungen wegen Mordes und Völkermordes eingeleitet worden. Am 28. März 1950 sei auf dieser Grundlage ein Haftbefehl der Behörden in Wien an die deutsche Justiz übermittelt worden. Damals sei auch der mutmaßliche Wohnort Heims bei Bad Nauheim angegeben worden. Die deutschen Behörden hätten geantwortet, dass Heims Aufenthaltsort bei ihnen nicht bekannt sei. Dieser lebte bis 1962 unbehelligt in Deutschland.
Heim praktizierte nach dem Krieg als Frauenarzt in Bad Nauheim und Baden-Baden. Nach Angaben des Wiesenthal-Zentrums gelang es ihm 1962, nach einem Tipp vor der Festnahme zu fliehen. Er wurde aufgrund eines Haftbefehls des Landgerichts Baden-Baden international gesucht. Mehrere hunderttausend Euro waren als Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt.
Tarnung als Muslim
Das ZDF beruft sich auf Augenzeugen sowie auf Dokumente aus einer Aktentasche, die der frühere KZ-Arzt bis zu seinem Tod in seinem Zimmer in einem Kairoer Hotel aufbewahrt habe. Zur Tarnung sei er Anfang der 80er Jahre zum Islam konvertiert und habe den Namen Tarek Farid Hussein angenommen. Die Recherchen werden laut ZDF von zahlreichen Zeugen bestätigt, unter ihnen der Sohn des Gesuchten. "Ja, mein Vater hat in Kairo gelebt", sagte Rüdiger Heim dem ZDF.
Der 1914 im österreichischen Radkersburg geborene Heim wurde wegen Mordes an hunderten Gefangenen des in Österreich gelegenen Konzentrationslagers Mauthausen während des Zweiten Weltkrieges gesucht. Wegen seiner extremen Grausamkeit wurde er in Nazi-Konzentrationslagern "Dr. Tod" genannt.
Der französische "Nazi-Jäger" Serge Klarsfeld forderte, bei der Suche nach Nazi-Verbrechern nicht nachzulassen. Auch wenn viele inzwischen über 90 Jahre alt seien, müsse verhindert werden, dass NS-Täter "in totaler Straflosigkeit" lebten und "sich öffentlich ihrer Verbrechen rühmen" könnten, sagte Klarsfeld dem Radiosender France Info.
Quelle: ntv.de