"Zu 99 Prozent sicher" Mossad-Mordkomplott praktisch bewiesen
18.02.2010, 16:23 UhrDie Ermittler in Dubai sind sich sicher: Die Ermordung von Hamas-Führer Mahmud al-Mabhuh geht auf das Konto des israelischen Geheimdienstes Mossad. Großbritannien und Irland bestellen inzwischen die israelischen Botschafter ein, um Auskunft über die gefälschten Pässe zu erlangen.

Vor allem der Verdacht, dass israelische Agenten die Pässe von europäischen Einwanderern kopiert haben sollen, um mit falscher Identität nach Dubai einzureisen, könnte für Mossad-Chef Meir Dagan problematisch werden.
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In der Affäre um gefälschte Pässe und den Mord an einem Führer der radikal-islamischen Hamas gerät Israel immer weiter unter Druck. Der Polizeichef in Dubai beschuldigte erstmals direkt den israelischen Geheimdienst Mossad der Tat. Derweil bestellten Großbritannien und Irland die israelischen Botschafter ein. Sie sollten erklären, wie die Täter gefälschte britische und irische Pässe verwenden konnten.
Europäische Pässe gefälscht

Der Israeli Paul Kelly, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat, ist empört: "Das ist mein Pass, aber ich habe Israel nicht verlassen", sagte er im israelischen TV.
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Der ranghohe Funktionär der radikal-islamischen Hamas, Mahmud al- Mabhuh, war im Januar in einem Luxus-Hotel in Dubai umgebracht worden. Die Polizei der Vereinigten Arabischen Emirate verdächtigt elf Täter, die mit gefälschten europäischen Pässen nach Dubai gereist sein sollen. Darunter waren sechs britische Pässe, drei irische, ein deutscher und ein französischer.
Alles deutet auf Mossad
"Unsere Untersuchungen haben zutage gebracht, dass der Mossad in die Ermordung von Al-Mabhuh verwickelt ist", sagte Dubais Polizeichef der Zeitung "The National" in den Vereinigten Arabischen Emiraten. "Wir sind zu 99, wenn nicht gar zu 100 Prozent sicher." Auch der Zeitung "Gulf News" sagte er, es deute "alles darauf hin", dass der Mossad involviert sei. Die Regierung in Israel hat eine Verwicklung des Geheimdienstes zurückgewiesen.
"Deutscher" ist amerikanischer Jude
In einem Fall nutzten die Täter die Identität eines Mannes mit deutschem Pass, wie es hieß. Michael Bodenheimer entpuppte sich nun aber als streng religiöser amerikanischer Jude. Er lebt nach israelischen Medienberichten in Bnei Brak, einem Vorort von Tel Aviv, und besucht dort eine Religionsschule. Die Familie gab an, mit Politik nichts zu tun zu haben.
Der Bundesnachrichtendienst äußerte sich bislang nicht zu den Vorgängen. Das Bundeskriminalamt ist nach den Worten einer Sprecherin als Zentralstelle der deutschen Polizei gegenüber Interpol mit dem Fall befasst. "Wir stehen im Informationsaustausch mit der Polizei in Dubai."
"Als Mörder aufgewacht"

Der ermordete Mahmud al-Mabhuh im Krankenhaus in Damaskus.
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"Der Mossad hat bei mehreren Gelegenheiten in der Vergangenheit gefälschte Pässe benutzt oder gefälschte Pässe mit den Namen von lebenden Personen und den Fotos seiner Agenten versehen", schreibt die Tageszeitung "Haaretz". Als eine Stärke des israelischen Geheimdienstes wird immer erwähnt, dass er wie kaum ein anderer aus einem riesigen ethnischen Pool schöpfen kann: Israel ist ein klassisches Einwanderungsland mit Menschen, die außer Hebräisch fließend ihre alte Muttersprache sprechen.
Normalerweise reagiert die israelische Regierung nach Attentaten auf Führer militanter Organisationen im Ausland noch schmallippiger. Nur steht sie dieses Mal unter einem gewissen Erklärungszwang, weil sechs der elf mutmaßlichen Attentäter die Identität von Menschen angenommen hatten, die in Israel leben.
"Ich bin wütend, verärgert und verängstigt", sagte etwa der 31 Jahre alte Melvyn Mildiner der Tageszeitung "Maariv". Er sei noch nie in Dubai gewesen. "Ich bin mit einer Lungenentzündung ins Bett gegangen und als Mörder aufgewacht", zitiert ihn die britische BBC.
Ein anderer Mann hat Angst davor, dass er, seine Frau und die drei Kinder Opfer einer Vergeltungsaktion werden könnten. Or Kaschti, Bildungskorrespondent der israelischen Tageszeitung "Haaretz", berichtete in seinem Blatt, wie ihm eine ältere Frau in der Gemüseabteilung des Supermarktes respektvoll auf die Schulter klopfte und sagte: "Alle Achtung. Ihr habt es diesen Arabern gezeigt".
London ist verschnupft

Der israelische Botschafter in London, Ron Prosor, kommt zur Unterredung ins Außenministerium.
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Die britische Regierung forderte Israel unterdessen zur Zusammenarbeit auf. London sei entschlossen, der Sache mit den gefälschten Pässen "auf den Grund zu gehen", sagte Außenminister David Miliband. Er "hoffe und erwarte" von Tel Aviv, bei den Ermittlungen des "Verbrechens" zu kooperieren. Premierminister Gordon Brown hatte diese Untersuchung zuvor angekündigt.
Der israelische Botschafter in London, Ron Prosor, sagte nach dem Treffen im Außenministerium, er habe keine zusätzlichen Informationen. Sein Pendant in Dublin, Zion Evrony, sagte, er wisse nichts über den Mord in Dubai. Der irische Außenminister Micheal Martin erklärte, es handle sich um einen "außerordentlich ernsten Fall", der die Sicherheit irischer Bürger aufs Spiel setze.
Auch Paris fordert Erklärungen
Auch Frankreich forderte eine Erklärung von Israel. Die Botschaft solle sich zu den "Umständen" der Nutzung eines gefälschten französischen Passes bei dem Mordkomplott äußern, sagte ein Außenamtssprecher in Paris. Die österreichischen Behörden nahmen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Mordanschlag auf.
Wie ein Sprecher des Innenministeriums in Wien sagte, nutzten die Täter bei der Vorbereitung des Attentats offenbar österreichische Telefonnummern.
Hamas plant Vergeltung
Derweil kündigte der Chef des Hamas-Politbüros Chaled Meschaal in der syrischen Hauptstadt Damaskus an, dass die Arbeit an der Vergeltung für den Tod Mabhuhs begonnen habe. Die Zeitung "Jerusalem Post" schrieb derweil, dass Mabhuh mit dem Schmuggel von Raketen mit größerer Reichweite in den Gazastreifen beschäftigt war. Damit wäre eine Bevölkerung von rund drei Millionen Einwohnern im Großraum Tel Aviv sowie im Süden bedroht worden. Bislang konnte die Hamas die Außenbezirke von Tel Aviv noch nicht erreichen.
Mit Stromstößen gequält
Bei einem Anschlag in dem Hotel Bustan Rotana in Dubai, wo al-Mabhuh die Raketen-Verhandlungen geführt haben soll, wurde er dann umgebracht. Nach Angaben seines Bruders wurde der 50-Jährige mit starken Stromstößen gequält und erwürgt.
Erinnerungen an 1997
In Israel werden Erinnerungen wach an den 25. September 1997, als zwei Mossad-Agenten in der jordanischen Hauptstadt Amman vergeblich versucht hatten, den heutigen Chef des Hamas-Polit-Büros, Chaled Meschaal, mit Nervengift zu töten. Die beiden Männer wurden gefasst, und Israel musste sich damals entschuldigen und ein Gegengift liefern. Kanada reagierte überaus verärgert, weil die Israelis mit kanadischen Pässen unterwegs waren. Der israelische Ministerpräsident war damals derselbe wie heute: Benjamin Netanjahu.
Quelle: ntv.de, hdr/dpa/AFP