Die Briten verlassen Basra Abzug mit Symbolwirkung
03.09.2007, 13:43 UhrSie verschwanden in der Nacht, aber den Schutz der Dunkelheit hätten die letzten britischen Soldaten in Basra wohl nicht gebraucht. Schiitenführer Muktada al-Sadr soll seine Mahdi-Armee zum Stillhalten verdonnert haben. So konnten die 500 Mann des Regiments "The Rifles" den Basra-Palast, der einst Saddam Hussein gehörte, ausnahmsweise ohne Furcht vor Angriffen verlassen. Dass London seit Wochen über Mittelsmänner mit den Milizen über einen gefahrlosen Abzug für seine Soldaten verhandelt, gilt als offenes Geheimnis.
Genaugenommen kam der Rückzug aus der zweitgrößten Stadt des Iraks nicht überraschend. Doch mit dem Hinweis, die Sache sei lange geplant gewesen, konnte Premierminister Gordon Brown die Symbolkraft nicht abschwächen. Die Briten haben ihren letzten Stützpunkt in einer irakischen Stadt verlassen. Und auf ihrer letzten noch verbliebenen Irak-Basis am Flugplatz bei Basra Heimatkurs eingeschlagen.
Totaler Misserfolg
"Der Anfang vom Ende", titelte die Boulevardzeitung "Daily Mirror". Und der liberale "Independent" fragte auf der Titelseite "Vier Jahre in Basra - und was haben wir erreicht?". Ganz sicher nicht, was sich US-Präsident George W. Bush und Browns Vorgänger Tony Blair vorgestellt hatten. Blair war wegen seiner bedingungslosen US-Gefolgschaft als "Bushs Pudel" verspottet worden.
"Der britische Misserfolg ist nach vier Jahre währenden Bemühungen nahezu total", schrieb der "Independent" und verwies auf eine Lageeinschätzung der Konfliktforschungsgruppe International Crisis Group: "Basras Einwohner und die Milizen sehen dies nicht als geordneten Truppenrückzug, sondern eher als schmachvolle Niederlage an."
Als Tony Blair im Februar ankündigte, Großbritannien werde einen Teil seiner Truppen aus Basra abziehen, sah die Sicherheitslage dort noch anders aus. Selbst US-Außenministerin Condoleezza Rice räumte damals ein, Basra sei unter britischer Kontrolle keineswegs so gefährlich wie Bagdad unter amerikanischer.
168 tote britische Soldaten
Doch die Aufständischen im Süden des Iraks, die nach britischer Darstellung massiv vom Iran unterstützt werden, haben das Blatt scheinbar gewendet. Allein seit Mai wurden in Basra 22 britische Soldaten getötet. Die Zahl der Briten, die seit dem Beginn der Irak-Invasion 2003 ihr Leben verloren, stieg auf 168. Basra werde heute, so die International Crisis Group, "von Milizen kontrolliert, die anscheinend mächtiger und zwangloser agieren als früher".
Mit Sorge dürfte in Washington der nächtliche Rückzug der Briten auf ihre Fluchtposition am Airport beobachtet worden sein. Erst kurz vor der Truppenverlegung hatte sich die seit Tagen anhaltende Medienpolemik mit Vorhaltungen ehemaliger Verantwortlicher beider Seiten im Irak-Krieg zugespitzt.
Kritik an Rumsfeld
"Intellektuell bankrott" sei die US-Strategie, schimpfte der Oberkommandierende der britischen Armee während des Irak-Krieges, General Sir Mike Jackson. Von britischen Oppositionspolitikern bekam er lautstark Beifall für diese Antwort auf US-Vorhaltungen, die Briten würden sich feige und geschlagen davonstehlen.
Die Absetzbewegung des Hauptverbündeten der USA im Irak-Krieg wird vermutlich eine Rolle spielen, wenn der US-Oberkommandierende im Irak, General David Petraeus, am 15. September einen mit Spannung erwarteten Lagebericht an Präsident Bush und erstattet und zudem vor dem Kongress Rede und Antwort steht.
Innenpolitische Bedeutung
Für die Briten hat der Heimatkurs ihrer Truppen auch große innenpolitische Bedeutung. Gordon Brown, der den wegen des Irak-Krieges ungeliebten Tony Blair im Juni ohne eine Wahl ablöste, wünscht nichts mehr als eine demokratische Legitimierung seiner Amtsführung. Weithin wird in London damit gerechnet, dass er dafür Neuwahlen möglicherweise schon für Oktober ansetzt. Noch scheint sein Umfragenvorsprung vor den Konservativen keinen Sieg zu garantieren. Doch wenn er sich beim Thema Irak gegen Washington stellt, könnte Brown nach Ansicht von Beobachtern - ähnlich wie 2002 Gerhard Schröder bei der Bundestagswahl - wichtige Punkte machen.
Von Thomas Burmeister, dpa
Quelle: ntv.de