Star in der Manege Affe zeigt den Hitlergruß
08.05.2005, 11:10 UhrLässig und in den Knien federnd macht "Schorik" den Hitlergruß. Der kaum einen Meter große Affe ist der Star im Zirkus der russischen Industriestadt Jekaterinburg. Zum Feiertag am 9. Mai begeistert Zirkusdirektor Anatoli Martschewski seine Zuschauer mit einer besonderen Show: Das gesamte Ensemble vom Pony bis zum Seiltänzer spielt den Sieg über Hitlerdeutschland vor 60 Jahren nach. Russische Kriegsteilnehmer sind als Zuschauer bei dem Spektakel besonders willkommen. Die Veteranen dürfen in der ersten Reihe sitzen.
Der Affe "Schorik" kam nur über Umwege an seine Hauptrolle als Adolf Hitler mit aufgemaltem Schnäuzer und Seitenscheitel. Zuerst wollten die Regisseure den Leoparden die Rolle der Deutschen zuteilen. "Der Leopard ist ein Raubtier. Er verkörpert wie kein anderes Tier die Aggressoren", erklärt der Zirkusdirektor. Doch die Leoparden spielten nicht mit. So kam man letztlich auf "Schorik" und seine Affenbande. "Sie sind die einzigen Tiere im Zirkus, die sich in Uniformen zwängen lassen", sagt Martschewski.
Wo sonst der Clown über seine Schuhe stolpert und Akrobatinnen durch die Luft wirbeln, herrscht in diesen Tagen die Erinnerung an den Krieg. In der Manege springen Soldaten von einem Militär-Lastwagen, Maschinenpistolen rattern und zuckendes Scheinwerferlicht taucht die Zuschauerränge in ein blutiges Rot. Statt mit Bällen jongliert einer der uniformierten Artisten mit Handgranaten.
Derart martialische Aufführungen sind in Russland in diesen Tagen keine Seltenheit. Vom weltberühmten Bolschoi-Theater in Moskau bis zur kleinen Provinzbühne in Sibirien wird überall mit Konzerten und Jubiläumsinszenierungen an das Ende des Zweiten Weltkriegs erinnert. Die Leiden jener Jahre sind unvergessen. Schätzungsweise 27 Millionen Opfer zählte die Sowjetunion in den Kriegsjahren vom Überfall der Wehrmacht 1941 bis zu ihrer Kapitulation 1945.
Im Zirkuszelt von Jekaterinburg ist das große Finale einem Seiltänzer vorbehalten. Mit einer Fahnenstange als Balancehilfe steigt der Akrobat Schritt für Schritt der Kuppel entgegen. Oben angekommen, rollt er seine rote Fahne mit dem Sowjetstern aus und steckt sie in eine Halterung. Auf den Rängen brandet Jubel auf. Das war die Erstürmung des Berliner Reichstages. Der Hitler-Darsteller "Schorik" gibt sich geschlagen. Mit einer weißen Fahne in der Hand reitet der Affe auf einem Pony eine Ehrenrunde in der Manege.
Die Verhöhnung der deutschen Kriegsgegner im Zirkuszelt hat in Russland Tradition. Schon während des Zweiten Weltkrieges begeisterte der berühmte sowjetische Clown Karandasch (Bleistift) seine Zuschauer mit einer Goebbels-Nummer. Dazu führte er seinen Hund "Kljaksa" in die Arena und ließ ihn laut kläffen. Kaum war der Hund verstummt, verkündete der Clown mit feierlicher Stimme: "Sie hörten soeben eine Ansprache des Propagandaministers Joseph Goebbels."
Stefan Voß, dpa
Quelle: ntv.de