Der Alptraum der Generäle Aung San Suu Kyi
05.10.2007, 13:52 UhrSie ist der Albtraum der birmanischen Militärherrscher: Die seit über einem Jahrzehnt unter Hausarrest stehende Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi ist das Gesicht der Demokratiebewegung. Sie personifiziert die Hoffnung der Birmanen auf eine freie und bessere Zukunft. Allein durch ihr Erscheinen und das schweigende Segnen der Mönche an ihrem vergitterten Gartentor verschaffte "die Lady", wie sie von Anhängern genannt wird, den Protesten im September großen Aufwind.
Die 62-Jährige lebt in völliger Isolation: Ihr Haus an einem See in der Hauptstadt Rangun wird von mehreren hundert Polizisten bewacht, die Straße ist für den Verkehr geschlossen, auf dem See kreisen ständig Boote der Sicherheitsleute. Sie hat kein Telefon, kein Internet - nur ein Radio verbindet sie mit der Außenwelt. Lebensmittel werden ihr von der Polizei gebracht, Besuch darf sie nicht empfangen. So verbrachte sie 12 der vergangenen 18 Jahre.
Die Fotos nach ihren Unterredungen mit dem UN-Gesandten Ibrahim Gambari, die auf massiven internationalen Druck hin möglich waren, zeigen eine zierliche, erschöpfte Frau. Sie konnte sich zu keinem Lächeln durchringen. Die Niederschlagung der Proteste, bei denen bis zu 100.000 Menschen gegen die Regierung auf die Straße gingen, war ein neuerlicher Rückschlag in ihrem Kampf für ein freies Birma.
"Ich glaube, sie überlebt all den Zwang, weil sie eine große spirituelle Kraft hat", erklärte Paulo Sergio Pinheiro, ein hochrangiger UN-Beamter, der sie zwischen 2000 und 2003 drei Mal besuchen durfte. "Sie gibt sich völlig der Sache der Menschenrechte und der Demokratie hin." Sie mache sich keine Sorgen um sich selbst, sagte Pinheiro.
1991 erhielt Suu Kyi für ihren stillen und gewaltlosen Widerstand gegen das Regime den Friedensnobelpreis - in Abwesenheit, sie stand unter Hausarrest. "Die Lady" wird mit Nelson Mandela, Mahatma Gandhi und Martin Luther King verglichen, sie wird weltweit bewundert: Das ist ihre Lebensversicherung und der Stachel im Fleisch der Militärdiktatoren. "Sie ist nicht nur die Opposition. Sie ist ein Symbol. Und die größte Bedrohung", erklärte der Birma-Experte David Steinberg von der Georgetown Universität in Washington.
Ikone der Demokratiebewegung
Obwohl sie die Tochter eines Helden des birmanischen Unabhängigkeitskampfes ist, General Aung San, wurde sie fast durch Zufall in die Politik ihres Landes verwickelt. Zum Studium ging Suu Kyi 1960 zuerst nach Neu Delhi, dann ins britische Oxford. Zeitweise arbeitete sie für die Vereinten Nationen in New York, bevor sie 1972 ihren britischen Mann heiratete, den Tibetologen Michael Aris. Sie bekam zwei Kinder, ging nach Japan, folgte ihrem Mann nach Bhutan - und begann, Bücher über Birma zu schreiben.
1988 flog sie zurück in ihre Heimatstadt Rangun, um ihre todkranke Mutter zu pflegen. Doch das Land ist in Aufruhr: Die Studenten protestieren gegen die Junta. "Ich konnte, als Tochter meines Vaters, demgegenüber nicht gleichgütig bleiben", erklärte sie kurz nach ihrer Rückkehr vor etwa 500.000 jubelnden Menschen vor der Shwedagon-Pagode. "Diese nationale Krise könnte könnte man in der Tat den zweiten Kampf für die Unabhängigkeit nennen." Damit wurde sie die Führungsfigur und Ikone der Demokratiebewegung.
Die Antwort der Generäle war grausam: Unzählige wurden verhaftet, mindestens 3.000 Dissidenten getötet - und Suu Kyi wurde festgenommen. 1990 gewann ihre Partei, die Nationale Liga für Demokratie (NLD), obwohl Suu Kyi nicht kandidieren durfte, haushoch die Parlamentswahl. Das Militär weigerte sich jedoch, die Wahl anzuerkennen.
Seitdem verbrachte Suu Kyi ihre Tage fast ununterbrochen im Hausarrest. Als ihr Mann 1999 in Großbritannien im Sterben lag, besuchte sie ihn nicht mehr. Sie hatte Angst, die Generäle würden sie nicht wieder einreisen lassen. Ihre tägliche Routine ist den Schilderungen von UN-Mitarbeitern zufolge sehr schlicht: Sie meditiert und liest viele Bücher, zumeist über Politik, Philosophie und Buddhismus. Ihr Fenster zur Außenwelt ist ein Radio - sie kann die britische BBC und Voice of America empfangen.
Das neue Gesprächsangebot des Militärdiktators Than Shwe scheint eine Farce zu sein. Er will die Oppositionsführerin nur treffen, wenn sie auf fast alle politischen Forderungen verzichtet. Während Birmas Schutzmacht China die Proteste immer noch als "innere Angelegenheit" bezeichnet, will die internationale Gemeinschaft Druck auf das Regime ausüben. Suu Kyi wird warten und ihren Anhängern weiter Hoffnung spenden. In diesem Jahr hat vielleicht der dritte Unabhängigkeits-Kampf der Birmanen begonnen.
Quelle: ntv.de