Absurder Personenkult Berdimuchamedow überall
23.04.2009, 08:46 UhrSein Grinsen empfängt jeden, der ein turkmenisches Flugzeug besteigt. Kein Regierungsgebäude im ganzen Land, das nicht mit seinem Porträt geschmückt wäre. Und sogar Schokolade gibt es mit seinem Abbild. Personenkult sind die Turkmenen gewohnt, der frühere Diktator Saparmurat Nijasow, der sich selbst zum Turkmenbaschi, zum "Führer aller Turkmenen" ernannte, war für seine Selbstinszenierung auf der ganzen Welt berüchtigt.
Der Turkmenbaschi ist seit mehr als zwei Jahren tot. Das Porträt, das die Turkmenen nun allerorten begleitet, gehört ihrem neuen Präsidenten Gurbanguli Berdimuchamedow. Eigentlich ruhte auf dem Nachfolger des Diktators die Erwartung, er würde die Auswüchse von Nijasows Herrschaft beschneiden. Doch der wachsende Kult um den 51-Jährigen macht diese Hoffnung zunichte.
"Wurde früher in allen Publikationen Nijasows Größe hoch gelobt, so singen sie jetzt ein Loblied auf Berdimuchamedows Reformen", sagt die Oppositionelle Nurdshamal. Auch unter der neuen Führung darf die 34-Jährige ihre Umweltschutzgruppe nicht offiziell anmelden - ungeachtet aller Versprechen größerer politischer Freiheiten. Aus Angst vor Repressalien will Nurdshamal weder ihren richtigen Namen noch ihren Wohnort veröffentlicht sehen.
Kein Fahren ohne den "Geistigen Leitfaden"
Seit der Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1991 machte das Land am Kaspischen Meer nicht nur aufgrund seines bizarren Herrschers von sich reden, auch die riesigen Vorkommen an Öl und Gas erregten Aufmerksamkeit. Ein großer Teil der Bodenschätze blieb jedoch unangetastet, da ausländischen Energieunternehmen der Zugang schwer gemacht wurde. Die Einnahmen aus den Rohstoff, die Nijasow dennoch erzielte, flossen oft direkt in den Bau von später leer stehenden Palästen oder goldenen Statuen nach seinem Ebenbild. Die Standbilder zierten das ganze Land, und die Lektüre von Nijasows "Geistigem Leitfaden" war sogar Bestandteil der Führerscheinprüfung.
Berdimuchamedow, ein ehemaliger Zahnarzt, schaffte die abwegigsten Regelungen seines Vorgängers ab. Zum Beispiel gilt nun nicht mehr der Kalender des Turkmenbaschis, der Monate zu Ehren des Präsidenten und seiner Mutter enthielt. Auch das Verbot von Kinos, Zirkussen sowie ausländischem Theater und Ballett fiel. Dennoch mehren sich die Anzeichen, dass der alte Personenkult nun durch einen neuen ersetzt wird. So wurde eine neue Moschee für 2500 Gläubige jüngst nach dem Präsidenten benannt - wie es auch unter Nijasow üblich war. Auf Wodkaflaschen wurde das Porträt des alten Staatschefs einfach durch das des neuen ausgetauscht. Und sein neuestes Buch, ein Wälzer über turkmenische Pferde, wurde gleich in drei Sprachen übersetzt.
Investition in sinnlose Projekte
Den ehemaligen Universitätsprofessor Bajram-aga überrascht der neue Personenkult nicht. Die Staatsspitze habe Angst davor, lediglich die Verehrung des Turkmenbaschi zu tilgen, sagt der 67-Jährige. Werde nicht gleichzeitig der neue Präsident verehrt, fürchte sie den Zusammenbruch des gesamten Regimes. "Eine heilige Stätte darf man nicht leerstehen lassen", zitiert der Professor ein turkmenisches Sprichwort. Nach dem Turkmenbashi denke die Staatsführung, sie müsse den Leuten eine andere, nicht weniger bedeutende Persönlichkeit zur Verehrung anbieten.
Während also die goldenen Statuen des Turkmenbaschi allmählich verschwinden, eignete sich der neue Präsident die Machtbereiche an, die auch sein Vorgänger an sich gerissen hatte: Er ist auch Regierungschef, Parteichef und Oberbefehlshaber der Armee. Vorbild ist ihm der Turkmenbaschi auch bei Investitionen in sinnlose Projekte: Anfang des Monats verkündete Berdymuchamedow, umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro für den Bau eines Olympia-Komplexes anzulegen. Dabei hat sich Turkmenistan gar nicht für die Austragung der Spiele beworben. Geplant sind unter anderem Wintersportanlagen - mitten in der Wüste.
Quelle: ntv.de, Anton Lomov , AFP