Dossier

Von Irak nach Afghanistan? Britische Armee wird verlegt

Eigentlich hatte Gordon Brown gerade den sehnlich erwarteten Truppenabzug aus dem Irak verkündet. Doch von Freudenausbrüchen war in Großbritannien nichts zu spüren. Zwar sollen die britischen Soldaten bis zum kommenden Juli nach sechs Jahren endgültig den Irak verlassen - damit beenden sie einen ihrer umstrittensten Einsätze überhaupt. Dafür werden sie aber an einem anderen Brandherd dringend gebraucht: In Afghanistan.

Nach monatelangen Spekulationen machte Premierminister Brown das offiziell, was viele erwartet hatten: Bis Mai, nicht länger, solle die militärische Operation im Irak weitergehen, sagte er während eines Blitzbesuches beim irakischen Ministerpräsident Nuri al-Maliki in Bagdad. In den darauffolgenden zwei Monaten machten sich die rund 4100 britischen Soldaten dann auf die Heimreise.

Zeitplan für Rückzug steht

Ob die Aufgaben dann wirklich "erfüllt" sind, wie es Brown formulierte, bleibt angesichts der andauernden Gewalt im Irak fraglich. Jüngst explodierten wieder zwei Bomben in Bagdad und rissen mindestens zwei Dutzend Menschen in den Tod. Doch nun steht immerhin der Zeitplan für den Rückzug. "Wir haben einen riesigen Beitrag für die Zukunft des Iraks geleistet. Wir verlassen den Irak als einen besseren Ort", sagte Brown. Eine "neue Ära" der britisch-irakischen Beziehungen breche an, hieß es in der Mitteilung Malikis und Browns.

Viel Ruhe und Ruhm wird dem Militär aber nicht beschert sein: Die Debatte, ob die Truppen nach Afghanistan "verlegt" werden, ist bereits im vollen Gange. Seit Wochen kursieren Berichte, dass der neue US-Präsident Barack Obama London um tausende neue Soldaten am Hindukusch bitten wird. Doch die Briten stehen schon jetzt mit ihren 8400 Mann im Süden Afghanistans am Rande ihrer Kapazitäten. Das Tempo der Einsätze müsse "gedrosselt" werden, hatte der Chef der Streitkräfte, Jock Stirrup, kürzlich gewarnt. Ein "Eins-zu-Eins"- Wechsel der Soldaten vom Irak nach Afghanistan sei nicht drin.

Volk gegen Einsatz

Auch Brown hält sich bedeckt, ist doch der Einsatz beim Volk nicht besonders beliebt: Zwei Drittel wollen einer Umfrage zufolge, dass die Briten sich auch aus Afghanistan zurückziehen. 133 Soldaten kamen dort seit Beginn des Einsatzes im Jahr 2001 ums Leben. "Der Krieg ist für die Soldaten nicht vorbei. Viele werden nach Afghanistan in einen nicht zu gewinnenden Krieg geschickt", sagte ein Sprecher der Anti- Kriegs-Kampagne Stop The War Coalition.

Und dem Militär fehlt sowohl Geld als auch Ausrüstung. Dass sich das inmitten der Finanzkrise ändert, ist zweifelhaft. Den Ruf nach mehr Engagement anderer NATO-Staaten hatte Außenminister David Miliband deshalb zuletzt auch auffallend oft wiederholt. Zwar fordert er - genauso wie Brown - ganz allgemein, und ohne einzelne Staaten zu nennen, ein besseres "burden sharing", also eine gerechtere Lastenverteilung. Dass damit aber auch die Deutschen gemeint sind, ist klar.

Brown punktet mit Wirtschaftsverstand

Brown kann nun vielleicht weitere Bonuspunkte beim Volk sammeln - war der Irakkrieg doch den meisten Briten ein Dorn im Auge. Mehr als 40.000 britische Soldaten waren zu Beginn der Invasion im März 2003 im Einsatz. Browns Vorgänger Tony Blair machte sich als "Bushs Pudel" unbeliebt, als er zusammen mit US-Präsident George W. Bush in den "Krieg gegen den Terror" zog, um Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Millionen protestierten, Blairs Image stürzte in den folgenden Jahren gnadenlos ab. Fast 180 Briten starben bisher im Irak.

So hofft Brown nun vermutlich auch, dass es ihm umgekehrt ergeht und er weiteren Aufwind in den Umfragen bekommt. Dort steht der einst schwer angeschlagene Regierungschef derzeit vor allem wegen seines Wirtschaftsverstandes gut da. Doch schon kurz nach der Ankündigung vom Truppenabzug wurden wieder die Rufe nach einer öffentlichen Untersuchung über den Irakkrieg laut. Und diese wäre wohl wenig schmeichelhaft für die Labour-Regierung.

Annette Reuther, dpa

Quelle: ntv.de

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