Vor dem Parteitag Die Linke und der Sack Reis
19.06.2009, 14:53 UhrUnter dem Eindruck zerstrittener Parteiflügel trifft sich die Linke am Wochenende zum Bundesparteitag. Die Genossen wollen ein Signal der Geschlossenheit aussenden. Dies könnte angesichts des interner Richtungsstreits schwierig werden.

Partei-Chef Lafontaine (links) und Co-Vorsitzender Bisky auf dem Gründungsparteitag der Partei vor gut zwei Jahren.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Was die Linke in Deutschland mit China zu tun hat, kann man bei Dietmar Bartsch erfahren. "Ich hätte mir weniger als 1000 Anträge gewünscht", sagt der Bundesgeschäftsführer der Linken, der allseits als "Pragmatiker" bekannt ist, also als ein am Nützlichen orientierter Mann. Er hält seinen Wunsch aber für so relevant wie "den berühmten Sack Reis in China". Dessen Umfallen interessiert bekanntlich niemanden.
Bei einem Teil der 1000 Änderungsanträge, über die die Linke auf ihrem Parteitag am Wochenende in Berlin entscheidet, dürfte es sich ähnlich verhalten. So beantragt etwa die LAG Antifaschismus der Linken aus Schleswig-Holstein, in Zeile 3265 bis 3286 des Leitantrages die "Doppelpunkte durch Semikoli" zu ersetzen. Begründung: "Die jeweils ersten Sätze sind keine übergeordneten und die folgenden "nur" Präzisierende, Erläuternde wie es Doppelpunkte anzeigen würden."
In der Parteispitze weiß man aus langer Erfahrung, dass Parteiprogramme von der großen Mehrheit der Bevölkerung nicht gelesen werden. Und Parteichef Oskar Lafontaine kennen viele als einen Mann, der sich im Zweifelsfall um Formulierungen im Programm nicht schert. Auf die Frage, was ihn an seiner eigenen Partei stört, sagt der frühere SPD-Chef auch ohne Umschweife: "Dass wir uns manchmal selbst ein Bein stellen. Aber solche Verhaltensweisen kenne ich nicht nur aus der Partei Die Linke." So dürften einige der mehreren hundert Delegierten nach der sicherlich bis in die Nacht zum Sonntag dauernden Antragsdebatte einigermaßen k.o. hervorgehen.
Die Linke und der Kapitalismus

Auch Fraktions- und Parteichef Gysi gestand Mobilisierungsdefizite seiner Partei ein.
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Dann werden sie aber geklärt haben, ob der Begriff Kapitalismus durch den Begriff "Raubtierkapitalismus" oder "Finanzkapitalismus" ersetzt wurde - oder eben der Wortteil "Finanz" im Finanzkapitalismus gar nicht verwendet werden darf, weil "der sogenannte Finanz- Kapitalismus nur eine Facette des Kapitalismus" sei.
Für die Partei weitaus relevanter ist ein Antrag des nordrhein-westfälischen Verbandes der LISA (Linke Sozialistische Arbeitsgemeinschaft der Frauen in der Partei). Sie verlangt, sowohl die Doppelspitze der Bundestagsfraktion als auch des Parteivorstandes zwischen Mann und Frau gerecht aufzuteilen. Beim Parteivorstand ist dies das geringere Problem, weil Lafontaines Co-Vorsitzender Lothar Bisky ohnehin im nächsten Jahr den Platz räumen will. In der Fraktion besteht das Spitzenduo momentan aus Lafontaine und Gregor Gysi. Beide wollen nach jetzigem Stand der Dinge bleiben.
Der eigentliche Streit in der Partei geht aber darum, wie realistisch die Forderungen der Linken ausfallen sollen. So war im März auf Druck des linken Flügels für das Wahlprogramm eine Forderung nach einem Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde vereinbart worden. Aktuell setzt sich die Bundestagsfraktion für 8,71 Euro ein. Die SPD will 7,50 Euro Mindestlohn und hält 10 Euro für "Populismus". Auch ihre Forderung nach einem Hartz-IV-Regelsatz von 435 Euro erhöhte die Linke für das Wahlprogramm auf 500 Euro. Manchen Antragstellern ist das immer noch zu niedrig.
Die Auseinandersetzungen verlaufen oft zwischen Reformern aus dem Osten und anscheinend rückwärtsgewandten Vertretern aus dem Westen - in der Partei auch "Sektierer" genannt. Der Berliner Linke-Chef Klaus Lederer mahnt: "Belehren wir die Leute nicht darüber, wie die Welt ist, sondern hören wir zu, was sie bewegt." Er sagte am Freitag im RBB: "Augenblicklich hat es manchmal den Anschein, wir seien eher mit uns selbst beschäftigt."
Quelle: ntv.de, Kristina Dunz, dpa