Dossier

Aserbaidschan und das Öl Ein Land im Aufbruch

In der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku ist jede Fahrt von Staatspräsident Ilcham Alijew ein öffentliches Spektakel. "Gleich kommt der Präsident", raunt ein Passant, der im Stadtzentrum mit vielen anderen Menschen entlang einer von Polizisten abgesperrten Straße wartet. Drei als Vorhut vorbeirasende Polizeiwagen lassen die Spannung steigen. Einige Minuten später braust eine schwarze Stretchlimousine vorbei - umgeben von einem guten Dutzend Polizeimotorrädern und gefolgt von noch mehr schwarzen Dienstfahrzeugen.

Der ganze Auftritt ist auch eine Demonstration der Macht in der an Erdöl reichen Kaukasus-Republik. Der heute 46-jährige Ilcham Alijew wurde 2003 nach dem Tod seines Vaters Haider zu dessen Nachfolger gewählt. Internationale Wahlbeobachter kritisierten die Wahl damals als nicht frei und fair, weil die Opposition eingeschüchtert wurde und es schon im Wahlkampf keine Chancengleichheit gab. Im Oktober steht Alijew erneut zur Wahl, ohne dass es an seinem Sieg ernsthafte Zweifel geben könnte.

Öl für Modernisierung

Der Staatschef und seine Führung haben angekündigt, die enormen Einnahmen aus dem Ölgeschäft in den kommenden Jahren für eine Modernisierung des Landes einsetzen zu wollen. Seit 2006 fließen die Petrodollars. Aserbaidschan hat in einem sogenannten Jahrhundertvertrag mit einem internationalen Ölkonsortium unter Führung von British Petroleum (BP) die Ausbeutung der Ölvorkommen geregelt. In der Baku-Tiflis-Ceyhan-Pipeline wird das Öl über eine Strecke von mehr als 1700 Kilometern an die türkische Mittelmeerküste gepumpt. Seitdem ist Aserbaidschan eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt.

Und weil der Ölpreis immer neue Höhen erklimmt, wird es in den Kassen Aserbaidschans früher als erwartet größere Summen geben. Es sei mehr Geld als man ausgeben könne, sagt ein Manager des staatlichen Ölfonds (Sofaz). Das Geld stärkt Staatspräsident Alijew den Rücken. Allerdings ist es nicht nur ein Segen, es birgt auch Gefahren, falls Aserbaidschan die notwendige Modernisierung verpasst.


Korruption als Entwicklungshindernis

Schon jetzt gilt die grassierende Korruption in Studien als ein großes Entwicklungshindernis für das Land. An dem Ölboom sollen sich aber nicht nur einflussreiche Kreise bereichern. Kritik an den Verhältnissen ist relativ verhalten, auch weil Aserbaidschan mit seiner Lage am Kaspischen Meer ein Land mit strategischer Bedeutung für Europa, Russland und die USA ist.

Und Alijew ist trotz seines autoritären Führungsstils nicht frei in seinen Entscheidungen, wie ein westlicher Diplomat erklärt. Politik und Wirtschaft in Aserbaidschan werden von einflussreichen Clans und Monopolen kontrolliert. "Der Interessenausgleich findet hinter den Kulissen statt. Die Interessen der Oligarchen wechseln, aber sie müssen befriedigt werden", sagt der Landeskenner. Dabei drängt die Zeit. Im Jahr 2013 soll die Ölförderung den Höhepunkt erreichen, so Prognosen. Zehn Jahre später könnten die Lagerstätten weitgehend erschöpft sein.

Berg-Karabach-Konflikt hält an

Noch deutlich vorher sollte der Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien um die besetzte Enklave Berg-Karabach beigelegt werden. Im Krieg von 1992 bis 1995 haben die Armenier die aserbaidschanischen Truppen und mehr als 700.000 aserbaidschanische Zivilisten vertrieben.

Es gibt kaum ein politisches Gespräch in Baku, bei dem die Rede nicht auf den Karabach-Konflikt kommt. Aserbaidschan gibt jedes Jahr mehr Petrodollars für die Aufrüstung seiner Armee auf. In diesem Jahr sollen erstmals mehr als zwei Milliarden US-Dollar (rund 1,3 Milliarden Euro) für das Militär verwendet werden. Die aserbaidschanische Führung könnte eines Tages versucht sein, das besetzte Gebiet mit einem neuen Waffengang zurückzuerobern, erklären warnende Stimmen.

Von Carsten Hoffmann, dpa

Quelle: ntv.de

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