Kritik an Musharraf Extremismus nimmt zu
10.07.2007, 15:12 UhrLange hat der pakistanische Staatschef Pervez Musharraf eine gewaltsame Konfrontation mit den einflussreichen Predigern der Roten Moschee vermieden. Im Sommer gipfelte der seit Jahren andauernde Machtkampf zwischen Staatsmacht und Islamisten im blutigen Sturmangriff auf das Gotteshaus in Islamabad.
Schon nach den Terroranschlägen von El Kaida im September 2001 waren die Auseinandersetzungen eskaliert. Damals versprach Musharraf den USA seine "volle Unterstützung" im Kampf gegen den Terrorismus und zog sich den Zorn der islamistischen Szene zu. Allein 2006 sollen nach US-Angaben bei 650 Anschlägen mehr als 900 Pakistaner getötet worden sein.
Bereits vor den Terrorakten in den USA ließ Musharraf einige radikale sunnitische und schiitische Gruppen verbieten und hunderte ihrer Mitglieder festnehmen. Nach dem 11. September wurden mutmaßliche Top-Terroristen wie Ramzi Binalshibh und Chalid Scheich Mohammed den Amerikanern übergeben. Die Feinde des pakistanischen Präsidenten schlugen wiederholt zurück. Erst vergangene Woche wurde in Rawalpindi sein Flugzeug beschossen. 2003 entging er dort nur knapp zwei Attentatsversuchen. Mehrfach kamen Aufrufe zur Ermordung des Staatschefs von aufrührerischen Klerikern der Roten Moschee.
Extremisten gewinnen an Boden
Kritiker werfen dem Präsidenten vor, sich nicht rechtzeitig um die innenpolitischen Probleme gekümmert zu haben. Aus Furcht vor Selbstmordanschlägen hätten die Behörden sechs Monate lang zugesehen, wie sich der Konflikt um die Rote Moschee zuspitzte. "Für Musharraf ist es eine Katastrophe. Er kann niemand anderen dafür verantwortlich machen, weil alles unter seinen Augen geschah", sagt der Südasien-Experte Stephen Cohen vom Brookings-Institut in Washington gegenüber Reuters. Eine hohe Zahl an Todesopfern könnte Musharraf im Wahljahr erheblichen politischen Schaden zufügen.
Musharraf putschte sich vor acht Jahren an die Macht. Die gemäßigte muslimische Mehrheit vertraut darauf, dass er sie als Staatschef vor religiösen Extremisten beschützen kann. Im Grenzgebiet zu Afghanistan ist der Machtverlust Musharrafs jedoch bereits seit langem offenkundig. Dort haben die extremistischen Gruppen ihre Wurzeln in den so genannten Stammesgebieten. Sie dringen aus dem Nordwesten Pakistans zunehmend in die Großstädte vor, wo sie afghanischen Taliban-Rebellen und Anhängern des Terrornetzwerks El Kaida sicheren Unterschlupf bieten. Auch in der Südwestprovinz Belutschistan hat die Regierung wenig Einfluss.
Demokratiedefizit ein Problem
Kritiker werfen Musharraf zu große Nachsicht gegenüber den Extremisten vor. Sie verweisen auf seine unentschlossene Haltung zu den etwa 10.000 Madrasas genannten Koranschulen. "Man darf annehmen, dass die Gehirnwäsche nicht nur an den Schülern der Roten Moschee, sondern auch an vielen anderen Koranseminaren vollzogen wurde", kommentierte die englischsprachige "News" bissig.
Oppositionspolitiker sehen in der Unterdrückung der Demokratie durch Musharraf den Hauptgrund für den Vormarsch der Religiösen, die bereits zwei der vier Provinzen kontrollieren. Die exilierte frühere Ministerpräsidentin Benazir Bhutto hat sich bereits für ein Zusammengehen mit Musharraf stark gemacht, der sie einst entmachtet hatte. Gemeinsam könnten sie den Vormarsch der Islamisten stoppen. Die bevorstehende Wahl sei für das weitere Schicksal Pakistans entscheidend: "Ohne Wiederherstellung der Demokratie in diesem Jahr wird es eine Zunahme der politischen Koranschulen geben", warnte Bhutto.
Quelle: ntv.de