Gefahr für Schwarz-Grün GAL bricht Wahlversprechen
30.09.2008, 19:07 UhrSo mancher fühlt sich belogen und betrogen. Monatelang waren Grünen-Wahlkämpfer durch Hamburg gezogen, hatten auf Infoständen vor Einkaufszentren, auf Wochenmärkten und in Mehrzweckhallen Glaubwürdigkeit versprochen und wieder und wieder gepredigt: Nein, niemals, mit der Grün-Alternativen-Liste (GAL) wird es kein Steinkohlekraftwerk in Hamburg-Moorburg geben. Die damalige GAL-Fraktionsvorsitzende und heutige Zweite Bürgermeisterin Christa Goetsch sagte gar für den Fall einer Regierungsbeteiligung der Grünen zu: "Wir legen uns fest. Mit uns wird keine Erlaubnis für das Kraftwerk erteilt werden."
Genau das ist nun aber passiert. Knapp fünf Monate nach dem Start von Deutschlands erster schwarz-grüner Koalition auf Landesebene erteilt mit Umweltsenatorin Anja Hajduk auch noch ausgerechnet eine Grünen-Politikerin dem Energiekonzern Vattenfall die Erlaubnis zum Bau des als "Klima-Killer" geächteten Kohlekraftwerks im Süden der Stadt - und stürzt das bislang einzigartige Regierungsbündnis in seine erste ernste Krise. Haben doch enttäuschte Anhänger der basisdemokratisch organisierten Grünen-Partei längst gedroht, das Bündnis mit dem früheren Erzfeind CDU nun auf der für den 9. Oktober geplanten Mitgliederversammlung platzen lassen zu wollen.
Natürlich weist die frühere Bundestagsabgeordnete Hajduk den Vorwurf des Wortbruchs zurück: "Wir haben Chancen gesehen, aber Chancen sind keine Gewissheiten." Sie sei persönlich enttäuscht. Aber aus rechtlichen Gründen sei der Bau des Kraftwerks nicht zu verhindern gewesen. Sowohl aus der Partei als auch aus der Fraktion ist Ähnliches zu hören. Noch während Hajduks Ausführungen im Rathaus räumt Hamburgs Grünen-Chefin Katharina Fegebank eine "krachende Niederlage" für die eigene Partei ein. Und auch der GAL-Fraktionsvorsitzende Jens Kerstan spricht von einer verlorenen Schlacht.
Beust hatte Fakten geschaffen
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust und seine damalige CDU-Alleinregierung hatten vor der Wahl Vattenfall am 14. November 2007 einen vorzeitigen Baubeginn gestattet. Die Frist bis zur endgültigen Genehmigung des Kraftwerks an der Süderelbe legten sie auf den 10. März 2008 fest. Am Stichtag dann - CDU und Grüne standen kurz vor ihrem ersten Koalitionsgespräch - erhielt der Konzern jedoch statt eines Bescheids für die immissions- und wasserrechtliche Genehmigung erst eine Fristverlängerung bis zum 10. Juni, dann eine weitere bis zum 10. September.
Für Vattenfall war längst das Maß voll. Der Konzern reichte beim Hamburger Oberverwaltungsgericht eine Untätigkeitsklage ein, bekam von den Richtern sogar sachte Zustimmung signalisiert und drohte mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe. Hat der schwedische Energieriese doch nach eigenen Angaben bereits 300 Millionen Euro investiert und für rund 1,6 Milliarden Euro Aufträge erteilt oder Bestellungen getätigt.
Nun darf Vattenfall das Kraftwerk also fertigbauen - wenn auch unter hohen Auflagen. So muss der Energiekonzern das Kohlekraftwerk an durchschnittlich 250 Tagen im Jahr mit gedrosselter Leistung betreiben. Ob das reicht, die enttäuschten Grünen zu besänftigen? "Ich glaube, dass letztlich die Partei bei aller sachlichen Unzufriedenheit das Argument nicht von der Hand weisen kann, dass vorhandenes Recht nicht gebrochen werden kann", sagte der GAL-Vordenker und Mitarchitekt der schwarz-grünen Koalition, Willfried Maier, dem NDR.
Auch wenn der frühere Stadtentwicklungssenator Maier zudem davon ausgeht, dass die Partei "es letzten Endes akzeptieren wird - wenn auch grummelnd", ging Hajduk am Dienstag aber dennoch auf Nummer sicher. Sie bat lediglich zu einem internen Infoabend, auf dem jedoch keine Beschlüsse gefasst werden durften. Dies geht frühestens auf der Mitgliederversammlung am 9. Oktober - wenn wütende Parteimitglieder ein paar Mal über die Sache geschlafen und sich die Wogen möglicherweise etwas geglättet haben.
Quelle: ntv.de, Markus Klemm, dpa