Dossier

Seit Jahren in libyscher Haft "Gaddafis Geiseln"

Fünf bulgarischen Krankenschwestern wurde ihre Beschäftigung als Gastarbeiterinnen in Libyen zum Verhängnis. Am 9. Februar 1999 wurden sie in der libyschen Hafenstadt Bengasi unter dem Vorwurf festgenommen, Kinder wissentlich mit dem HI-Virus infiziert zu haben. Da sich der umstrittene Fall über mehr als acht Jahre hinzog, wurden die Frauen in ihrer Heimat "Geiseln von Oberst (Muammar el) Gaddafi" genannt. Es folgen Kurzporträts:

Kristijna Waltschewa (46) aus Sofia ist Mutter eines 29-jährigen Sohnes. Sie hat sechs Jahre lang in Kliniken in Sofia gearbeitet, bevor sie 1998 nach Bengasi wechselte. Die Anklage warf ihr vor, die Ansteckung der libyschen Kinder mit Aids organisiert zu haben. Die Anklage hält sie für die Drahtzieherin, weil in ihrem Haus in Libyen angeblich Blutbeutel gefunden wurden. Sie hat selbst nie in der Kinderklinik gearbeitet. Ihr Geständnis sei mit Folter erzwungen worden, sagte sie. "Mehrere Nächte wurde ich mit Stromstößen gequält", berichtete sie im bulgarischen Privatfernsehen bTV. "Obwohl meine Wunden eiterten, wurde weiter Strom eingesetzt." Waltschewa hat immer ihre Unschuld beteuert. Ihr Mann Sdrawko Georgiew wurde von dem Vorwurf, Kinder angesteckt zu haben, im ersten Verfahren frei gesprochen.

Nassja Nenowa (40) war vor ihrer Anstellung 1998 in Libyen zwölf Jahre lang als Kinderkrankenschwester in der ostbulgarischen Stadt Sliwen beschäftigt. In Libyen musste sie ein Geständnis unterzeichnen, dass sie die libyschen Kinder gegen Bezahlung mit dem Virus angesteckt habe. Im April 1999 unternahm sie einen Selbstmordversuch. Sie sei mit sich drehenden Eisenstäben und Elektroschocks gequält worden, schilderte sie ihre Behandlung in Gefangenschaft. "Ich habe Narben an meinen Fingern." Sie hat einen heute 19-jährigen Sohn. Er ging in die Oberschule, als sie verhaftet wurde, und studiert inzwischen.

Walja Tscherwenjaschka (49) kommt aus Bjala Slatina in Nordbulgarien. Sie ist Mutter zweier Töchter im Alter von 28 und 29 Jahren. Trotz der Folter legte sie kein Geständnis ab. "Bei der Vernehmung wurde ich geschlagen. Es wurden auch Hunde und Käfer eingesetzt", erinnert sie sich. Ihr Ehemann Emil Usunow war 2003 in der libyschen Botschaft in den Hungerstreik getreten. Er wirft der Regierung in Sofia vor, den Fall falsch angepackt zu haben. Dutzende von Helfern aus Polen, Thailand und anderen Ländern seien ebenfalls festgenommen, später aber wieder freigelassen worden.

Walentina Siropoulo (46) kommt aus der mittelbulgarischen Stadt Pasardschik und hat dort 18 Jahre lang gearbeitet, bevor sie im Februar 1998 nach Libyen ging. Sie hat einen Sohn. Die Frau hat laut bulgarischen Angaben nicht in den Krankenhaus-Abteilungen gearbeitet, in denen sich die Erkrankung ausgebreitet hatte. Sie wurde nach ihrer Darstellung mit Gummischläuchen geschlagen und mit Strom gequält und macht dies für eine Lähmung von Teilen ihres Gesichts verantwortlich und dafür, dass sie monatelang nicht gehen konnte. "Sie haben dennoch keine Beweise für unsere Schuld", sagt sie. Siropoulo ist verheiratet und hat einen 26-jährigen Sohn.

Sneschana Dimitrowa (52) ist die älteste der fünf Krankenschwestern und gesundheitlich am stärksten angeschlagen. Die in Gabrowo im bulgarischen Balkan-Gebirge geborene Krankenschwester nahm ihre Arbeit in Libyen als letzte von allen im August 1998 auf - ein halbes Jahr vor der Festnahme. Sie erlitt im vergangenen Jahr einen Nervenzusammenbruch und brach sich im Herbst dieses Jahres ein Bein. Sie hat eine Tochter im Alter von 26 Jahren und einen 33-jährigen Sohn. "Ich will meine Freiheit zurück und bei der Familie sein", wünscht sie sich.

Aschraf Al-hadschudsch, der jüngste der Beschuldigten ist noch keine 40 Jahre alt und gebürtiger Palästinenser. Er kam im Alter von zwei Jahren mit seiner Familie aus Ägypten nach Libyen. Zum Zeitpunkt der Festnahme der Krankenschwestern Anfang 1999 studierte er Medizin in Libyen. Seine Familie siedelte später in die Niederlanden um. Während eines Praktikums erhielt er die Erlaubnis, in dem Krankenhaus zu wohnen, in dem die Aids-Epidemie ausgebrochen war. Im Verfahren gestand er, zusammen mit den Bulgarinnen libyschen Kindern absichtlich infiziertes Blut übertragen zu haben. Während seiner Haft lernte er die bulgarische Sprache; er ist seit Juni 2007 bulgarischer Staatsbürger.



Quelle: ntv.de

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