Provinzwahlen im Irak Gewalt gegen Politikerinnen
28.01.2009, 14:39 UhrEigentlich sollen die irakischen Provinzwahlen am 31. Januar ein Zeichen für eine positive Zukunft des Landes setzen. "Mit ihrer Beteiligung an den Wahlen stimmen Sie für den Erhalt der Freiheit", appelliert Ministerpräsident Nuri el Maliki an seine Landsleute. Doch wirklich frei sind weder Wähler noch Kandidaten. Während sich vor allem Politikerinnen Drohungen und Gewalt ausgesetzt sehen, treibt bei einigen Parteien das Ringen um die Gunst des Volkes fragwürdige Blüten. Sie gehen sogar mit Nähmaschinen, Geldgeschenken und Bettdecken auf Stimmenfang.
"Seit ich Wahlkampf führe, habe ich Angst, ermordet oder entführt zu werden", sagt Haifa el Samarrai, die im nordirakischen Samarra kandidiert. Ihre Angst ist mehr als berechtigt: Vor knapp einem Monat wurde die Anführerin des weiblichen Flügels in der kommunistischen Kurdenpartei, Nahla Hussein, enthauptet in ihrem Haus in Kirkuk aufgefunden. Immer wieder berichten Politikerinnen von Anschlägen und Einschüchterungsversuchen.
Plakate mit Frauen werden abgerissen
"Weil ich an das glaube, was ich mache, habe ich meine Politik im Geheimen fortgeführt", sagt Wahida el Dschumaili von der sunnitischen Liste Projekt des Nationalen Zusammenschlusses. Vor knapp drei Jahren, sie war gerade mit dem Auto zuhause eingetroffen, nahmen Kämpfer des radikalislamischen Terrornetzwerks Al Kaida sie ins Visier. "Aber sie haben mich verfehlt", erzählt die Firmendirektorin. In diesem Wahlkampf, bei der ersten Wahl seit 2005 im Irak, sei sie noch nicht bedroht worden - "bisher nicht".
Schwer zu schaffen macht den Kandidatinnen der Provinzwahlen auch die Diskriminierung im weiterhin streng konservativen Irak. "Auf den Plakaten und Flugblättern sind keine Fotos von Frauen zu sehen. Die Männer haben es verboten - sie haben die Macht", beklagt sich Dschumana Mal Allah, die in der Stadt Kerbela für die Irakische Nationalkonferenz des früheren stellvertretenden Ministerpräsidenten Ahmed Tschalabi kandidiert. Plakate mit den Bildern von Frauen werden immer wieder einfach abgerissen. "Der Einstieg von Frauen in die Politik ist eine Kampfansage an diejenigen, die versuchen sie zu unterdrücken", sagt die kommunistische Kandidatin Baida Abed.
Sicherheitskräfte in Alarmbereitschaft
Frauenquoten sollen das weibliche Geschlecht in der Politik etablieren - doch damit sind vor allem die Frauen nicht zufrieden. Laut irakischem Wahlrecht muss auf den Listen der Parteien jeder vierte Kandidat eine Frau sein. Die Quote repräsentiere jedoch ganz und gar nicht den weiblichen Bevölkerungsanteil, kritisiert Batul Najef, Kandidatin der sunnitischen Liste Kinder Mesopotamiens. Bei der Wahlkommission sind für die Provinzwahlen rund 3900 Kandidatinnen registriert. Sie machen derzeit gut ein Viertel der rund 14.400 Bewerber aus, die sich zur Wahl stellen.
Während des Wahlkampfs haben es auch die Stimmberechtigten nicht leicht. Zwar verurteilte ein Repräsentant des schiitischen Ayatollah Ali Sistani erst kürzlich die "niederträchtigen Praktiken", mit denen sich Parteien Stimmen erkauften. Doch vor allem arme Bürger sind ihnen ausgeliefert. "Ein Kandidat hat mir 100 Dollar gegeben und mich dann auf den Koran schwören lassen, dass ich ihn wählen werde", gibt Ahmed zu, der in einer Lehmhütte in der schiitischen Stadt Nassirijah südlich von Bagdad wohnt. Dort verteilte eine Partei Bettdecken und Heizungen. Im sunnitischen Samarra werben Parteien auch schon mal mit Geschenkkörben, Nähmaschinen und dubiosen Jobangeboten um Stimmen.
Wenn die Wahlberechtigten in 14 der 18 irakischen Provinzen an die Urnen treten, sind die Sicherheitskräfte vielerorts in Alarmbereitschaft. Obwohl sich die Lage in mehreren Regionen verbessert habe, sei am Wahltag mit Gewalt von Al Kaida zu rechnen, sagt General Ali Saleh Farhud Osman. "Wir glauben, dass Raketen und Mörsergranaten auf Wahllokale abgefeuert werden könnten", ergänzt er. "Aber wir sind imstande, den Frieden zu erhalten."
Quelle: ntv.de, Marc Bastian und Sammy Ketz, AFP