Dossier

Hoffen auf neue Heimat Indonesien zieht Flüchtlinge an

Nach Indonesien und Malaysia dürfen Muslime visafrei einreisen. Das führt dazu, dass immer mehr flüchtende Afghanen und Iraker dort stranden und auf ein Aufnahmeland warten.

Sie werden zwar nicht aufgenommen, doch werden die Flüchtlinge in Indonesien und Malaysia auch nicht ausgewiesen.

Sie werden zwar nicht aufgenommen, doch werden die Flüchtlinge in Indonesien und Malaysia auch nicht ausgewiesen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Der Afghane Bashir Bahtiari ist als Flüchtling in Indonesien gestrandet, ebenso Habibullah und Ismail. Duraid und Dina aus dem Irak auch. Alle wollen nichts wie weg von dort - "egal, in welches Land", sagen sie. Indonesien und Malaysia werden immer mehr zum Durchgangslager für Flüchtlinge aus dem Nahen Osten. Angezogen werden sie, weil die muslimischen Länder zu den wenigen gehören, die Afghanen und Irakern Visa ausstellen oder Muslime visafrei einreisen lassen. Zudem lockt das nahe Australien: 15 Flüchtlingsschiffe hat die australische Marine in diesem Jahr schon aufgebracht. Im gesamten vergangenen Jahr waren es nur sieben. Wie viele es illegal an Land schaffen, weiß keiner, wie viele der teils maroden Boote sinken, auch nicht.

"Die Chance, nach Australien zu gelangen, liegt bei 90 Prozent", sagt Ismail überzeugt. Das hat der pfiffige Teenager mit dem ansteckenden Lachen im Internet herausgefunden. Die Menschenschmuggler verlangen nach seinen Angaben mehr als 4000 Euro für einen Platz. Er sei mit seiner Familie im Kindesalter aus Kabul geflüchtet, sagt er, hat in Pakistan im Flüchtlingslager gelebt und perfekt Englisch gelernt. "Ich will endlich einen Schulabschluss machen, und Politik studieren."

"Flieh oder stirb"

Duraid arbeitete in Bagdad im Planungsministerium. Er wurde nach eigenen Angaben vor die Alternative gestellt: flieh oder stirb. Er zeigt eine lange Narbe am Knie, die er bei einem Überfall davontrug. Seine Frau Dina zieht die Oberlippe hoch: Zum Vorschein kommen zwei graue absterbende Schneidezähne. "Sie haben mich aus dem Auto gezerrt und zugeschlagen", sagt sie. Duraid und Dina flüchteten mit ihrer Tochter Dana im Februar 2008 über Syrien nach Malaysia.

Die UNHCR in Jakarta zählt mehr als Tausend Flüchtlinge aus dem Irak und Afghanistan.

Die UNHCR in Jakarta zählt mehr als Tausend Flüchtlinge aus dem Irak und Afghanistan.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Dort kaufte Duraid auf dem Schwarzmarkt zwei südafrikanische Pässe. Nach Indonesien kam die Familie unbehelligt. Mit Tickets nach Irland in der Tasche flogen sie aber bei der Passkontrolle am Flughafen von Jakarta auf. "Sie haben mir alles weggenommen, mich verhört und geschlagen", sagt Duraid. Die Familie entwischte. Ohne Papiere und mittellos suchten sie beim UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR Zuflucht. Nun leben nun in Cisarua, einer Kleinstadt 70 Kilometer südlich von Jakarta. Arbeiten dürfen sie nicht. Die Hilfsorganisation United Church Services gibt ihnen rund 160 Euro im Monat. Die drei müssen warten, bis sich ein Aufnahmeland findet.

Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat in Jakarta mehr als 1200 afghanische Asylsuchende und Flüchtlinge registriert und gut 280 Iraker. In Malaysia sind es je 560 Afghanen und Iraker. Die Zahl derjenigen, die sich illegal durchschlagen wollen, liegt wesentlich höher, sagen Organisationen, die sich um Gestrandete kümmern.

Australien irritiert von Indonesien

"Indonesien ist sehr gastfreundlich", sagt Anita Restu vom UNHCR in Jakarta. "Die Regierung siedelt zwar selbst keine Flüchtlinge an, aber sie weist die Leute auch nicht zurück." Diese Gastfreundschaft irritiert die Australier. Sie haben gerade 24 Millionen Euro für gemeinsame Aktionen der australischen und indonesischen Polizei gegen Menschenschmuggler bereitgestellt. Die indonesischen Behörden verstärken ihre Patrouillen entlang der fast 1000 Kilometer langen Südküste Javas und anderswo. Ein Opfer ist Habibullah. Er sitzt in Malang in Ostjava fest. Der Afghane kam über Pakistan und Malaysia nach Indonesien. Die Polizei wurde misstrauisch, weil er ohne guten Grund in der Gegend unterwegs war. Er wird nun im "Kantor Imigrasi Kelas" festgehalten, einer Art Internierungslager.

Bashir Bahtiari war nach eigenen Angaben in Lebensgefahr, weil er Taliban-Anführer Mullah Omar in Karikaturen auf die Schippe nahm. Sie setzten Kopfgeld auf ihn aus. "Meine eigenen Verwandten wollten mich töten", sagt er. Bashir bekam ein Visum für Indonesien und flüchtete. Er ist als Flüchtling anerkannt. Seine Frau und vier Kinder schafften es nach Pakistan. Er wartet jetzt auf die Einladung aus einem der elf offiziellen Aufnahmeländer - darunter Deutschland - "seit einem Jahr und 15 Tagen", sagt er. Wie Ismail. Und Habibullah. Und Duraid und Dina. "Flüchtlinge sind echte Menschen mit echten Bedürfnissen", steht auf ihren T-Shirts bei einem Aktionstag des UNHCR in Cisarua.

Quelle: ntv.de, Christiane Oelrich, dpa

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