Einladen, dann einmarschieren Irak-Konferenz in Istanbul
03.11.2007, 17:33 UhrDass ein Staat eine Konferenz für ein Land ausrichtet, dem es gleichzeitig mit einer Militärinvasion droht, ist selbst für orientalische Verhältnisse ungewöhnlich. Für eine zusätzliche Überraschung sorgte die von Ministerpräsident Nuri al-Maliki geleitete Delegation aus Bagdad bei der internationalen Irak- Konferenz in Istanbul, weil sie sich trotz der Terroranschläge daheim und ungeachtet der türkischen Drohungen mit Angriffen auf die Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak in bester Laune zeigte.
Wer die aufgekratzten Iraker auf den Fluren des Konferenz-Hotels erlebte, hätte meinen können, hier sei eine Wirtschaftsdelegation aus Dubai angereist, um über den Bau neuer Luxushotels zu verhandeln. "So Gott will, wird alles gut werden", erklärt einer der Politiker aus Bagdad. Er trägt einen Anstecker mit der irakischen und der türkischen Fahne am Revers seines Sakkos.
Rice: Ungläubig und missbilligend
Al-Maliki spricht im Konferenzsaal fast so über Bagdad, als gebe es in der irakischen Hauptstadt schon keine Leichen auf den Straßen mehr und keine Milizen, die Angehörige der jeweils anderen Religionsgruppe mit Waffengewalt aus ihren Häusern vertreiben. Von Wiederaufbau spricht er, von Investitionen und davon, dass man die Gefahr eines Bürgerkrieges erfolgreich abgewendet habe. Als er dann auch noch erklärt, wie erfolgreich seine Regierung die "Versöhnung" mit anderen politischen Gruppierungen in den vergangenen Monaten betrieben habe, entgleisen selbst der ansonsten sehr beherrschten US-Außenministerin die Gesichtszüge. Ungläubig und missbilligend zieht Condoleezza Rice die Mundwinkel herab. Der neben Al-Maliki sitzende türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan schaut derweil ernst und verzieht keine Miene.
"Auch was die acht türkischen Soldaten angeht, die von der PKK verschleppt wurden, so wird es schon bald gute Nachrichten geben", erklärt der irakische Regierungssprecher Ali al-Dabbagh in der Mittagspause, während er gleichzeitig mit zwei Mobiltelefonen jongliert. Er sei zudem überzeugt, dass die irakische Führung in der Lage sei, die Fähigkeit der PKK, im Grenzgebiet zur Türkei anzugreifen, ab sofort durch "neue Sicherheitsmaßnahmen" erheblich einzuschränken. Dabei bemüht sich der Regierungssprecher sichtlich, Zuversicht auszustrahlen.
Keine Begeisterung auf türkischer Seite
Er räumte jedoch ein, dass die türkische Seite bislang keine laute Begeisterung über die irakischen Vorschläge geäußert habe. Den Einwand, dass die Regierung in Bagdad im Prinzip ohnehin keine Versprechen geben könne, die das von der kurdischen Autonomieregierung und ihren Sicherheitskräften kontrollierte Gebiet im Norden betreffen, lässt er nicht gelten. Zwar gibt er zu, dass die nationale Regierung dort nicht direkt vor Ort vertreten ist. "Doch es läuft alles in Zusammenarbeit mit der Regierung des Autonomiegebietes, die in dieser Krise die gleichen Interessen hat wie wir", sagt er.
Die Entwaffnung der PKK-Kämpfer an der Nordgrenze und die Auslieferung ihrer Kommandeure, wie dies von Ankara gefordert wird, verspricht Al-Dabbagh allerdings nicht. Nach Einschätzung irakischer Beobachter wäre dies auch gar nicht so einfach und höchstens mit Unterstützung des US-Militärs zu schaffen.
Von Anne-Beatrice Clasmann, dpa
Quelle: ntv.de