Überraschungen erwartet Irak vor Regionalwahlen
27.01.2009, 11:28 UhrWenn die Iraker am kommenden Samstag zum ersten Mal sei vier Jahren wieder zur Wahl gehen, sind einige Überraschungen zu erwarten. Denn diese Provinzratswahlen werden zum ersten Mal zeigen, wie es wirklich um die Machtverteilung zwischen den Parteien im Zweistromland bestellt ist. Erstens haben diesmal - anders als bei den noch von vielen Parteien boykottierten Wahlen von 2005 - alle maßgeblichen politischen Bündnisse Kandidaten aufgestellt. Zweitens machen sich die schiitischen Parteien, die sich letztes Mal noch auf eine gemeinsame Liste geeinigt hatten, jetzt gegenseitig Konkurrenz.
Normale Wahlkampfthemen
Auch sonst hat sich einiges geändert in den vergangenen vier Jahren. Ging es im Wahlkampf von 2005 vor allem um die Frage, welche Partei am ehesten den Terror der Milizen und El-Kaida-Zellen eindämmen könnte, so dreht sich heute viel um normale Wahlkampfthemen wie in friedlichen Staaten. "Ich denke, jetzt nachdem sich die Sicherheitslage verbessert hat, sind die wichtigsten Aufgaben, die in der kommenden Phase vor uns liegen, die Verbesserung der staatlichen Dienstleistungen und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, vor allem unter den Jugendlichen", sagt Nahla Abbas, die in Bagdad kandidiert.
Insgesamt treten diesmal 14.066 Kandidaten an, die rund 400 Parteien angehören, wobei einige dieser Parteien nur lokale Bedeutung haben. Die Kandidaten bewerben sich um 445 Sitze in den Räten von 14 Provinzen. In den Provinzen Erbil, Suleimanija und Dohuk, die zusammen das Autonomiegebiet der Kurden bilden, findet keine Wahl statt. Auch in der nördlichen Provinz Tamim, zu der die Stadt Kirkuk mit ihren großen Ölfeldern gehört, wird wegen des dort seit Jahren tobenden Machtkampfes zwischen Arabern, Turkmenen und Kurden erst zu einem noch nicht bestimmten späteren Zeitpunkt gewählt.
Neuer Wahlmodus
Dass die Wähler ihre Stimme diesmal entweder einer Partei oder einem bestimmten Kandidaten geben können, ermöglicht es ihnen, unfähige oder korrupte Politiker gezielt abzuwählen, was mit dem alten Wahlmodus nicht möglich war. Doch blickt man auf die jüngsten Daten von Transparency International, wonach der Irak zu den drei korruptesten Staaten der Welt zählt, dann dürfte es ohnehin schwierig sein, einen irakischen Politiker zu finden, der sich von Bestechung und Vetternwirtschaft fernhält. Viele Wahlberechtigte wollen deshalb nicht zur Abstimmung gehen. Laut Umfragen wird mit einer Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent gerechnet.
Im irakischen Wahlkampf wurde in den vergangenen Wochen bestochen was das Zeug hält. Der muslimische Klerus sah sich schließlich sogar genötigt, in seinen Freitagspredigten darauf hinzuweisen, dass es eine Sünde sei, Wählerstimmen zu kaufen. Einige Kandidaten hatten pro Stimme 100 bis 200 US-Dollar angeboten. Andere Kandidaten verteilten warme Decken für den Winter oder Lebensmittel. Junge Männer versuchte man zu locken, indem man ihnen versprach, die Hochzeitskosten zu übernehmen oder sogar selbst eine Braut für sie zu suchen. Wer es sich leisten konnte, bewirtete die Besucher seiner Wahlkampfveranstaltungen darüber hinaus üppig, mit Hammelfleisch, Obst und Limonade.
Clanchefs als Konkurrenz
Zugenommen hat seit dem Urnengang von 2005 die Zahl der Kandidaten, die auf ihren Plakaten mit traditioneller arabischer Kopfbedeckung zu sehen sind. Denn viele Stammesscheichs, die früher mehr oder weniger offen die Aufständischen in ihrem Kampf gegen die US-Besatzungsmacht unterstützt hatten, haben sich inzwischen den mit Unterstützung der Amerikaner gegründeten sunnitischen Bürgerwehren angeschlossen, die gegen El Kaida kämpfen. Vor allem in der Anbar-Provinz im Westen und in der Provinz Dijala im Nordosten von Bagdad machen diese Clanchefs jetzt den etablierten sunnitischen Parteien Konkurrenz. Das beunruhigt viele Iraker, die fordern: "Niemand, an dessen Händen irakisches Blut klebt, darf im Provinzrat sitzen."
Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa