Dossier

Oppositionspartei will "Politik der Liebe" Japan vor politischem Umbruch

Ein möglicher Machtwechsel bei den anstehenden Wahlen zum Unterhaus könnte Japan auch einen politischen Paradigmenwechsel bringen.

Ein möglicher Machtwechsel bei den anstehenden Wahlen zum Unterhaus könnte Japan auch einen politischen Paradigmenwechsel bringen.

(Foto: AP)

Seit mehr als einem halben Jahrhundert regiert die Liberaldemokratische Partei in Japan nahezu ununterbrochen, doch an diesem Sonntag könnte es damit einstweilen zu Ende sein: Die LDP von Regierungschef Taro Aso steht - wenn sich die Umfragen bewahrheiten - bei der Wahl zum mächtigen Unterhaus des Parlaments vor einer historischen Niederlage, die einen Paradigmenwechsel für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt mit sich bringen könnte. Zum ersten Mal scheint nun mit der oppositionellen Demokratischen Partei Japans (DPJ) eine einzelne Partei die Macht der LDP zu brechen.

Die beiden Kontrahenten als Masken: Yukio Hatoyama (links) und Taro Aso.

Die beiden Kontrahenten als Masken: Yukio Hatoyama (links) und Taro Aso.

(Foto: REUTERS)

Die LDP, die in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg im Pakt mit der Wirtschaft und der mächtigen Elite-Bürokratie das Land zu Wohlstand und Stabilität führte, wirkt überfordert und strukturell unfähig, mit den großen Problemen umzugehen, vor denen Japan heute steht. Seien es die Herausforderungen der rapiden Überalterung der Gesellschaft, die dringend benötigten Reformen des Renten- und Gesundheitssystems oder die gigantisch hohe Staatsverschuldung.

Immer weniger Gewissheiten

Einstige Gewissheiten, die die ältere Generation noch kannte, die sich während der Aufholjagd mit dem Westen aufopferte und dafür die Sicherheit einer lebenslangen Beschäftigung erhielt, gilt für junge Japaner heute immer weniger. Die Zeit der hohen Wachstumsraten sind vorbei, inzwischen ist jeder dritte Arbeitsplatz nur noch zeitlich befristet.

Hinzu kommt, dass sich Japan international auf dem Weg einer bedenklichen Marginalisierung befindet. Schon im nächsten Jahr dürfte China in der Rangliste der größten Volkswirtschaften Japan überholen. Trotz der sich seit langem abzeichnenden Probleme hielt sich die LDP an der Macht. Japan ist zwar eine Demokratie, dennoch vertraute man stets den Liberaldemokraten als den "Profis der Macht". "Das Volk trägt eine erhebliche Mitschuld daran, dass das alles so gelaufen ist, weil es überhaupt keine Anreize gesetzt hat, das zu ändern", sagt Axel Klein vom Deutschen Institut für Japanstudien in Tokio.

Die Geduld der Wähler scheint am Ende

Doch vor allem seit Ende der Ära Junichiro Koizumi geht es mit der LDP bergab. Der frühere Premier hatte den Bürgern 2001 Reformen versprochen und ihnen Hoffnung gemacht, er würde Japans Gorbatschow werden und das korrupte LDP-System beenden. Doch dies geschah nicht. Machtkämpfe, Skandale, verschleppte Reformen, Versagen in der Rentenpolitik, Filz und rekordhohe Arbeitslosigkeit - die Geduld der Wähler scheint angesichts der Folgen der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit am Ende. Erstmals sind sie es, die einen Wechsel wünschen. Doch wird unter der Demokratischen Partei DPJ alles besser?

Um gewählt zu werden, verspricht die größte Oppositionspartei eine "Politik der Liebe". Nicht die Unternehmensführer, die jahrzehntelang mit der LDP an einem Strang zogen, stehen im Mittelpunkt, sondern erstmals das einfache Volk. Das Kindergeld soll kräftig erhöht und die Gebühren für höhere Schulen und Autobahnen abgeschafft werden. Bauern sollen ein Mindesteinkommen erhalten, Kleinbetriebe entlastet und eine Mindestrente eingeführt werden. Doch in der Frage, wie das Füllhorn finanziert werden soll, bleibt die DPJ unscharf. Durch die Bekämpfung staatlicher Verschwendung werde schon Geld zusammenkommen.

Das Spiel mit dem "change"

Eine noch größere Herausforderung wird die sich abzeichnende Konfrontation mit der Ministerialbürokratie: Die DPJ will die Macht der Bürokraten brechen und den Politikern zurückgeben. Bewusst spielt DPJ-Chef Yukio Hatoyama (62) in Anlehnung an US-Präsident Barack Obama mit der Idee des "change", des Wandels. Auch in außen- und sicherheitspolitischer Hinsicht könnte es nach Auffassung von Beobachtern durchaus zu einem gewissen Paradigmenwechsel kommen.

Zwar ist die DPJ, die sich aus LDP-Überläufern, Sozialdemokraten und Ex-Gewerkschaftern zusammensetzt, in diesen Fragen noch recht vage. Hatoyama will sich aber künftig vom Sicherheitspartner USA zumindest weniger abhängig machen lassen als bisher und zugleich die Beziehungen mit den asiatischen Nachbarn verbessern. Abzuwarten bleibt, ob sich Japan unter einer neuen Regierung Hatoyama tatsächlich zu einem Land wandeln könnte, das künftig selbstbewusster in der Welt auftritt und die eigene Interessen deutlicher formuliert.

Quelle: ntv.de, Lars Nicolaysen, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen