Dossier

Nicht alle stimmen für ihn Koch ist wieder im Amt

Die hessischen Verhältnisse sind vorbei. Seit dem 5. Februar regiert Ministerpräsident Roland Koch (CDU) das Land wieder mit eigener Mehrheit an der Spitze seiner Wunschkoalition mit der FDP. Aber die langwierige konstituierende Sitzung in Wiesbaden zeigte, dass sich die politischen Verhältnisse in Hessen immer noch nicht ganz beruhigt haben. Bei seiner dritten Wahl zum Regierungschef erhielt Koch erstmals nicht alle Stimmen aus seinem Lager. Nach Auszählung fehlten ihm 4 von 66 Stimmen aus Union und FDP. "Das ist das Schicksal von großen Mehrheiten", mühte sich der designierte CDU-Generalsekretär Peter Beuth die Aufregung über die Verweigerer zu dämpfen.

Die CDU streute, zwei Abgeordnete seien mit dem erstmals praktizierten Lochen der Stimmzettel nicht zurechtgekommen. Diese Stimmen wurden als nicht abgegeben gewertet. Hohngelächter bei der Opposition: "Ich bin Nordhesse, einfach strukturiert, aber das habe ich hinbekommen", witzelte der SPD-Parlamentsgeschäftsführer Günter Rudolf über die Abstimmungsprozedur. Zumal Landtagspräsident Norbert Kartmann (CDU) zuvor genau erklärt hatte, dass von den drei Löchern für Ja, Nein oder Enthaltung nur eins mit einem Dorn durchstochen werden dürfe: "Das ist kein Biathlon."

In der Hessen-Union rumort es

Wer Koch seine Stimme verweigert hat, wird unklar bleiben. Es ist nur ein weiteres Zeichen, dass es in der sonst so geschlossenen Partei rumort. Koch hat die Wahl 2008 hinter sich, bei der die CDU nach fünf Jahren Alleinherrschaft abstürzte. Bei der Neuwahl vor drei Wochen verlor seine Partei abermals Stimmen. Das Erstarken der FDP zwang Koch in den vergangenen Tagen ein kompliziertes Personalpuzzle für die verbliebenen CDU-Posten auf. Altgediente Minister und Staatssekretäre gingen leer aus, Kreisverbände waren beleidigt, erstmals gab es sogar vereinzelte Rücktrittsforderungen. Die Hessen-Union steht vor einem Umbruch.

Die SPD sah mit einer gewissen Schadenfreude auf Kochs Problem. "Vier wie immer", grinste Geschäftsführer Rudolf. Schließlich war auch die frühere SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti im November bei der geplanten Regierungsübernahme mit Hilfe der Linken an vier eigenen Abgeordneten gescheitert. Die Folgen dieses Debakels waren im Landtag zu besichtigen. Ypsilanti sitzt bei der SPD nur noch in Reihe drei, sie blätterte während der konstitutierenden Sitzung gelangweilt in der Zeitung. Den Fraktionsvorsitz führt Thorsten Schäfer-Gümbel.

Keinen Linken als stellvertretenden Präsidenten

Koch fand sogar ein positives Wort für das Jahr der ungeklärten Machtverhältnisse und ungewöhnlichen Konstellationen im Landtag. "Dort, wo es gelungen ist, in dem Jahr heftiger Auseinandersetzungen und Schwierigkeiten neue Brücken zu bauen, sollen diese Brücken nicht wieder eingerissen werden", sagte er. Doch bei der Wahl der Landtagsvizepräsidenten drehte die neue Regierungsmehrheit die Uhr zurück. Im letzten Landtag hatte auch die Linke einen stellvertretenden Präsidenten stellen dürfen, das verhinderten Union und Liberale diesmal. SPD und Grüne warfen sich erfolglos für eine linke Kandidatin in die Bresche.

Der SPD-Vizelandtagspräsident Lothar Quanz bezahlte diese Unbotmäßigkeit mit dem Verlust seines Dienstwagens. Die schwarz-gelbe Mehrheit erkannte ihm kurzerhand Titel und Privilegien eines ersten Stellvertreters ab. Die SPD habe Absprachen nicht eingehalten, ärgerte sich CDU-Fraktionschef Christean Wagner. Solche Kleinlichkeit zeige, "dass wir weit entfernt sind von einer neuen politischen Kultur", sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir. Doch am Ende der Aufgeregtheiten war alles geklärt: Der Ministerpräsident war gewählt, seine schwarz-gelbe Regierung vereidigt. Von den eigenen Leuten bekam Koch ein Apfelbäumchen geschenkt - als Symbol der Nachhaltigkeit.

Friedemann Kohler, dpa

Quelle: ntv.de

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