Obama schaltet auf Wahlkampf Konter mit dem linken Haken
16.08.2011, 12:29 Uhr
Ein Trumpf im Wahlkampf: Obamas rhetorische Begabung ist unbestritten.
(Foto: REUTERS)
Lange hat der US-Präsident die Angriffe der Republikaner hingenommen. Jetzt schlägt er zurück. Bei seiner dreitägigen Bustour zeigt sich, mit welcher Botschaft Obama die Wahl gewinnen will. Der Präsident setzt auf ein altes Feindbild der US-Amerikaner.
Es ist die einfachste, weil offensichtlichste Frage an diesem Tag, doch Obamas Sprecher Jay Carney lässt den Reporter nicht einmal ausreden, so schnell hat er eine Antwort parat: "Das hat nichts damit zu tun." Dabei wollte der Reporter an Bord der Air Force One nur wissen, ob Präsident Barack Obamas Bustour durch die Bundesstaaten Minnesota, Iowa und Illinois vielleicht eine Reaktion auf den Sieg der ultra-konservativen Herausforderin Michele Bachmann bei der republikanischen Testwahl am Wochenende in Iowa sei. Carney schüttelt den Kopf. "Es geht darum, einen Teil des Landes zu besuchen, in dem wir in drei benachbarten Staaten interessante ökonomische Bedingungen vorfinden", erklärt Carney.
Das war dann doch ein wenig zu offensichtlich geflunkert, denn die aktuelle Reise Obamas steht selbstverständlich ganz im Zeichen der Wahl 2012. Tagelang haben seine wahlkämpfenden Gegner verbal auf ihn eingeschlagen und ihm den Ruin des Landes vorgeworfen. Allen voran Michele Bachmann, die als Siegerin aus der so genannten "Iowa straw poll" hervorgegangen ist - einer politisch eher zweitrangigen Mischung aus Stimmungstest und Spendensammelei.
Das Feindbild heißt: Washington D.C.
Deswegen startete Obamas Bustour durch drei Bundesstaaten auch in Minnesota, der Heimat von Bachmann. Beim "Town Hall Meeting", einer Art lockerem Frage-Antwort-Spiel zwischen Präsident und Wählern, ließ der US-Präsident erkennen, mit welchem Thema er den Wahlkampf bestimmen will. Die gequälte US-amerikanische Wirtschaft steht zwar auch im Fokus, doch Obama hat vor allem eine Botschaft: Der Kongress und die vergiftete Atmosphäre in der Hauptstadt sind Schuld an der Misere des Landes.
Es scheint das Mantra für Obamas Wiederwahl zu werden: Der Präsident stilisiert sich als überparteilicher Kämpfer gegen zerstrittene Republikaner und Demokraten. Und zumindest die Umfragen geben ihm Recht: Keine andere politische Institution ist bei den US-Amerikanern so unbeliebt wie der US-Kongress. Laut aktuellen Zahlen des Meinungsforschungsinstitut Gallup findet nur jeder fünfte US-Wähler, dass die Volksvertreter in Senat und Repräsentantenhaus eine Wiederwahl verdient hätten. Experten erwarten deshalb ein besonders ungemütliches Klima für Amtsinhaber bei der Wahl im nächsten Jahr.
Kritik am "American way of life"
Obama versucht offenbar, diese Stimmung auszunutzen und von eigenen Schwächen abzulenken. Er wolle die Wähler "für den Kampf rekrutieren", den er mit den störrischen Abgeordneten führt, kündigt Obama an. Wenn die Parlamentarier im September aus der Sommerpause zurückkehren, will der Präsident ihnen Maßnahmen vorlegen, die der US-Wirtschaft wieder auf die Beine helfen sollen. Sein Argument: Die Bringschuld liege dann nicht mehr beim Weißen Haus, sondern beim Capitol Hill.
Damit wird der Ton im Wahlkampf nun auch vonseiten des Präsidenten aggressiver. Besonders deutlich spürbar wird das beim Thema Steuerreform. Die war nach dem wochenlangen Streit mit den Republikanern um die Erhöhung des Schuldenlimits eigentlich politisch beerdigt. Nun will Obama Steuererhöhungen im Herbst wieder auf den Tisch bringen – wohl auch wegen der Schützenhilfe durch den Milliardär Warren Buffett. Der hatte mit einer medialen Großoffensive verbreiten lassen, dass er nur zu gerne mehr Steuern zahlen würde, wenn der Staat ihn dazu auffordern würde. "Meine Freunde und ich sind lange genug von einem Milliardärs-freundlichen Kongress verhätschelt worden", sagte Buffett.
Der Präsident wird zum Tea-Party-Aktivisten
Bei seinem Auftritt nahm Obama diese Vorlage nur zu gern auf. Man solle endlich darüber reden, dass jeder, auch die Reichen, "Opfer bringen müssen". In einem Nebensatz rüttelte der Präsident dann auch noch an den Grundfesten republikanischer Sozialphilosophie. Es müsse Schluss sein mit der "Wirtschaft, in der nur die Stärksten gewinnen", forderte Obama. Linke Töne und ein deutliches Zeichen an die eigene Parteibasis: Die Demokraten verstehen sich traditionell als Befürworter des sozialen Ausgleichs und der ökonomischen Gerechtigkeit. Der Pragmatiker Obama spannt die populistischen Muskeln an – auch das ein Vorgeschmack auf die heiße Phase des Wahlkampfes.
Unklar ist jedoch, wie seine eigene Partei darauf reagiert. Die demokratischen Stammwähler, bislang eher enttäuscht vom ihrer Meinung nach zu kompromissbereiten Präsidenten, könnten ihm die neue Härte danken. Den Parteifreunden im Kongress hingegen könnte Obamas Anti-Washington-Strategie auch schaden. Schließlich kontrollieren die Demokraten noch den Senat und hoffen auf eine Rückeroberung des Repräsentantenhauses. Sollte Obamas Rhetorik Früchte tragen, könnte der Präsident seiner eigenen Partei also gehörig in die Wahlkampfpläne grätschen.
Ausgerechnet Obamas härteste Konkurrenten, die auch den Kongress als "Staatsfeind Nummer eins" ausgemacht haben, könnten davon profitieren: die Tea-Party-Bewegung, deren aussichtsreichste Kandidatin derzeit Michele Bachmann ist. Schwer zu glauben, dass Obamas Bustour wirklich nichts mit ihr zu tun hat.
Quelle: ntv.de