CDU versteht SPD nicht mehr Kopfschütteln statt Häme
10.03.2008, 17:21 UhrIm Normalfall geizt CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla nicht mit Attacken auf die SPD. An diesem Montag jedoch - dem Tag der Rückkehr von SPD-Chef Kurt Beck auf die politische Bühne - war die Aufforderung an die SPD, den "Eiertanz zu beenden", schon seine schärfste Aussage in Richtung des Koalitionspartners. Der Generalsekretär ließ in seinem Kommentar zum Beck-Auftritt lediglich noch eine spitze Bemerkung folgen: dass er Becks Aussage, die SPD werde im Bund nicht mit den Linken koalieren, für unglaubwürdig halte.
Schon seit Tagen ist aus der Union erstaunlicherweise keine Häme über die SPD-Krise zu hören. Er herrscht eher Verwunderung und Unverständnis, wie sich eine solche Traditionspartei und ihr Chef in diese Lage manövrieren konnten. Er empfinde "keine Freude über die Schwäche in der SPD", äußerte schon vor dem Pofalla-Auftritt auch Unionsfraktionschef Volker Kauder. Es werden in diesen Tagen in der Union zwar einige Krokodilstränen über die SPD vergossen, aber längst nicht nur. Es gibt unter den "Schwarzen" durchaus den ehrlichen Wunsch, dass die SPD den Linkskurs abbricht und auch wieder zur alten Abgrenzung zur Linken im Westen zurückkehrt.
Wenn Parteivize Jürgen Rüttgers sagt, die SPD-Führung müsse "das unwürdige Treiben" von Hessens Landeschefin Andrea Ypsilanti stoppen, dann steckt auch die Sorge dahinter, dass die SPD als Koalitionspartner verloren gehen kann. Denn je linker die SPD wird, desto schwieriger wird es für CDU und CSU ein Bündnis mit den Sozialdemokraten zu begründen. Zudem wird befürchtet, dass die Glaubwürdigkeitskrise der SPD auf die anderen Parteien durchschlägt. Auch auf die Union, weil die Bürger von der Politik generell die Nase voll haben könnten.
Auch wenn die Klausurtagung der beiden Fraktionsvorstände in Bonn vor zwei Wochen das Gegenteil signalisieren sollte - die Ereignisse in der SPD strahlen auch auf das Binnenklima der Koalition aus. Nicht so sehr auf die Zusammenarbeit im Kabinett und unter den Fraktionen. Aber vor allem die Kanzlerin scheint nicht mehr Becks Aussagen zu trauen, nachdem er aus ihrer Sicht im Fall Hessen "Wortbruch" begangen hat.
Große Dinge hat die Koalition zwar nicht mehr vor. Der Haushalt 2009 und 2010 steht aus. Unter der Rubrik Reformen harrt die Privatisierung der Bahn aber seit langem der Vollendung. Hier schaut die Unionsspitze genau hin, wie sich die SPD verhält. Entscheiden sich die Genossen gegen eine Teilprivatisierung, wäre dies für die Union der letzte Beleg, dass sich der Linksschwenk nun auch voll in der SPD-Sachpolitik niederschlägt. Die Union hat die Bahn-Privatisierung zu ihrem Lackmus-Test erhoben, ob mit der SPD noch etwas Konstruktives herauskommen kann - erst recht, nachdem Beck die Bahn-Zukunft zur Chefsache gemacht hat.
Eine Öffnung der SPD zur Linken im Westen erleichtert der Union nach Einschätzung von Spitzenleuten hingegen den Wahlkampf 2009. Zwar denken die nicht an die Wiederauflage der "Rote-Socken-Kampagne", die schon Zeiten von Alt-Kanzler Helmut Kohl nicht recht zog. Der SPD-Links-Kurs eröffnet CDU und CSU sowie Kanzlerin Merkel aber die Chance, sich als Bewahrer der alten westdeutschen Parteientradition zu profilieren, der zufolge es mit Kommunisten keine Verbrüderung geben darf. Das könnte vor allem die Stammwähler mobilisieren.
Andererseits zieht die Unionsführung ins Kalkül, dass es selbst unter diesen günstigen Umständen mit der FDP allein nicht zur Mehrheit reichen könnte. Darum verfolgt sie die schwarz-grüne Koalitionsanbahnung in Hamburg mit so viel Sympathie. Aber auch die Entwicklung der Grünen ist Merkel und Co. kaum zu prognostizieren - genauso wenig wie der Weg der SPD.
Quelle: ntv.de, Von Ulrich Scharlack, dpa