Luftangriff auf Colombo Letztes Aufbäumen der Rebellen?
21.02.2009, 13:37 UhrDer Luftangriff der tamilischen Rebellen im Herzen Colombos bringt Sri Lankas Regierung in Erklärungsnot. Seit Wochen verkünden Politiker und Militärs die unmittelbar bevorstehende Niederlage der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE). Die Rebellen, die noch vor wenigen Monaten weite Teile Sri Lankas kontrollierten, sind nach der jüngsten Armeeoffensive auf einem schmalen Landstrich an der Nordostküste eingekesselt. Die letzte LTTE-Bastion soll noch 150 Quadratkilometer umfassen - weniger als das Stadtgebiet von Potsdam.
Doch trotz ihrer scheinbar aussichtslosen Lage haben die Rebellen noch einmal spektakulär zugeschlagen. Mit Leichtflugzeugen griffen zwei Angehörige der "Schwarzen Tiger" - des Selbstmordkommandos der LTTE - Freitagnacht die sri-lankische Hauptstadt an. Nach LTTE- Angaben steuerten die Männer die Maschinen "erfolgreich" in das Hauptquartier der Luftwaffe sowie eine Luftwaffenbasis am internationalen Flughafen. Der LTTE-nahe Internetdienst TamilNet veröffentlichte zudem ein undatiertes Foto, das die Selbstmordpiloten mit dem seit Jahren untergetauchten LTTE-Chef Velupillai Prabhakaran zeigt.
Angriff kleingeredet
Verteidigungsminister Gotabhaya Rajapakse bemühte sich, den Angriff kleinzureden. Da die Streitkräfte bereits alle Start- und Landebahnen der LTTE zerstört hätten, seien die Flugzeuge womöglich von einer Straße im Rebellengebiet gestartet, sagte der Bruder von Staatspräsident Mahinda Rajapakse der Zeitung "The Island". Das Militär sei allerdings darüber informiert gewesen und habe die Route gekannt. Die Tiger-Flugzeuge seien zunächst in westliche Richtung geflogen und hätten dann über der Küste nach Süden abgedreht. "Das ist deren normale Flugstrecke", fügte Rajapakse hinzu. Warum die Attentäter nicht schon früher aufgehalten wurden, sagte er nicht.
In Colombo richteten die LTTE-Rebellen ein Blutbad an. Nach Armeeangaben versuchte einer der Piloten sein mit einer großen Menge Sprengstoff beladenes Fluggerät in das Hauptquartier der Luftwaffe zu steuern. Das habe durch Abwehrfeuer verhindert werden können. Die Maschine sei dann in ein Regierungsgebäude gestürzt, hieß es. Der zweite Pilot habe versucht, sich mit seiner Maschine in ein Öllager am Hafen zu stürzen, sei aber ebenfalls rechtzeitig abgedrängt und später am internationalen Flughafen abgeschossen worden. Die Bilanz des Angriffs ist dennoch verheerend - mindestens vier Tote, darunter die Piloten, sowie mehr als 50 zum Teil schwer Verletzte.
Trotz allem feierten die Sicherheitsbehörden die Aktion als Sieg. Der Angriff sei ein "letzter verzweifelter" Versuch der Rebellen gewesen, verloren gegangenes Ansehen bei Anhängern und Sympathisanten zurückzugewinnen. Der Plan der LTTE sei "durchkreuzt" worden, meldete das Verteidigungsministerium.
Tiefes Misstrauen
Offen bleibt allerdings die Frage, ob es tatsächlich das letzte Aufbäumen der tamilischen Rebellen war. Zwar hat das Militär die LTTE, die seit 25 Jahren für einen Staat für die tamilische Minderheit kämpft, an den Rand der militärischen Niederlage gebracht. Im Rebellengebiet sollen sich aber noch etwa 2000 bewaffnete und hoch motivierte Kämpfer verschanzt haben, die nach Ansicht von Beobachtern besonders heftigen Widerstand leisten werden. Zudem wird befürchtet, dass die LTTE landesweit noch stärker als bislang auf Terroranschläge ausweichen könnte, je mehr sie in die Defensive gerät.
Der Friedensforschers Jehan Perara glaubt allerdings, dass selbst ein Sieg der Regierungstruppen auf dem Schlachtfeld den Jahrzehnte alten Konflikt nicht beilegen kann. Zum einen könne dem tamilischen Nationalismus, der die LTTE und ihre Anhänger antreibt, nicht mit Waffengewalt begegnet werden. Zum anderen gebe es nach dem Bürgerkrieg mit mehr als 75.000 Toten ein tiefes Misstrauen zwischen singhalesischer Bevölkerungsmehrheit und tamilischer Minderheit. Das Blutvergießen könne daher nur durch eine "gerechte politische Lösung" beendet werden, die alle Bevölkerungsgruppen einschließe, so Perera.
Verteidigungsminister Rajapakse lässt sich von dieser Mahnung jedoch genauso wenig beeindrucken wie vom Luftangriff der Rebellen. Der Zeitung "The Island" sagte er: "Das Ende der LTTE ist nah."
Quelle: ntv.de, Stefan Mentschel, dpa