Internatsgymnasium Schloss Torgelow Leuchtturm im Land der Ideen
18.12.2006, 12:15 Uhr"Erwachsen werden gehört zum Schwierigsten und Aufregendsten im ganzen Leben. Vieles verändert sich, alles ist in Bewegung. In dieser Zeit brauchen Kinder und Jugendliche einen festen Halt und die Geborgenheit in der Gemeinschaft." Das klingt nach Vertrauen. Darf man dem trauen, oder ist es nur ein Werbespruch des privaten Internatsgymnasiums Schloss Torgelow? Das galt es herauszufinden, denn Schloss Torgelow, ganz in der Nähe von Waren an der Müritz, also im mecklenburgischen Land zwischen Berlin und Hamburg, lud zum Ortstermin. Ein Bericht von Peter Poprawa.
Das kleine Touristenstädtchen Waren hinter mich gelassen, fahre ich durch eine schmale traumhafte Allee vorbei an Kühen und Wiesen, auf denen morgendlicher Frühnebel liegt. Die Sonne sucht sich ihren Weg. Vor mir blitzt der Torgelower See mit seinen verträumten Inseln und dem sagenhaft schönen Ufer mit uraltem Baumbestand, Schilfstreifen und Badestellen. Mecklenburg eben. Hoch zur Schlossauffahrt knirscht der Kies unter den Reifen. Der Weg führt durch einen Park, vorbei an Sportplätzen und lauschigen Ecken. Der Parkplatz ist zu meiner Überraschung keine Motor-Show, hier stehen Wagen wie vor einem Berliner Supermarkt.
"Nun lass mal den Mann, Victor"
Vor dem Schloss - ein herrschaftlicher weißer Bau mit Freitreppe, Säulenportal, Türmchen und Erker - erwartet mich Mario Lehmann, Mitglied der Eigentümerfamilie. Um uns herum viele Kinder und Jugendliche. Ich schaue in glückliche und zufriedene Gesichter. "Sind sie neu hier? Sind sie Lehrer oder Mentor? Kommen sie zu den Jungs oder zu den Mädchen?", der Kleine neben mir, ich schätze ihn mal auf zehn Jahre, hat wahrscheinlich noch zehntausend weitere Fragen. Mario Lehmann schreitet nicht ein, sondern sieht zu, wie ich mit der Situation fertig werde. Schließlich habe der Kleine mich gefragt und nicht den Chef des Hauses, erklärt mir der eloquente Anfangvierziger später. Jeder Schüler werde ernst genommen, die Beantwortung seiner Frage nicht mit einem "Nun lass mal den Mann, Victor" abgetan.
Junge Feinschmecker
Heute ist IWO, das Internatswochenende. Der Jurist Lehmann berichtet, an den sechs IWO's im Jahr bleiben alle im Internat: Schüler, Lehrer, Mentoren. Auf dem Programm stehen dann kulturelle Veranstaltungen, Gemeinschaftsaktivitäten und die Teamprojekte. Höhepunkt des Internatswochenendes, so Lehmann, sei das festliche Essen. Bei Kerzenschein und klassischer Musik präsentiere das Küchenteam ein Feinschmeckermenü als Ausklang eines ganz besonderen Wochenendes.
In der Empfangshalle stehen Getränke neben dem großen Kamin und zwei Erwachsene mit drei Kindern. Die Familie kommt zum Bewerbungsgespräch, erklärt Lehmann. Ich nicke ihnen freundlich zu, die beiden großen Kinder scheinen nicht wirklich entspannt, der Kleine macht Faxen und futtert Gummibärchen.
Mehr als 40 Jahre Erfahrung
Ich sitze eingekeilt zwischen Jagdtrophäen und Eichenpaneel im tiefen Leder und im Gespräch mit Mario Lehmann. "Aus mehr als vier Jahrzehnten, in denen wir, die Familie Lehmann, in unserem privaten Kurpfalz-Internat bei Heidelberg Schülerinnen und Schüler zum Abitur führen, wissen wir, dass Disziplin, Toleranz und selbstbewusstes Handeln dem Erfolg wichtige Türen öffnen. Gemeinsam mit unserem pädagogischen Team ist es Ziel, den Torgelower Schülerinnen und Schülern eine Internatserziehung mitzugeben, die sie für die Herausforderungen der Zukunft qualifiziert."
Eltern, Lehrer und Schüler seien mit der Schulsituation in Deutschland unzufrieden und über die Entwicklung besorgt, sagte Lehmann. Viele zweifelten daran, dass die Kinder von heute auf die Realität von morgen gut genug vorbereitet würden. Eltern fragten sich, was die Schule der Orientierungs- und Interesselosigkeit unserer Zeit entgegensetze. "Das private Internatsgymnasium Schloss Torgelow ist eine Antwort auf diese Fragen", so Lehmann. "Gute Leistungen und fundiertes Wissen haben bei uns einen unverrückbaren Stellenwert. Deshalb erwarten wir von unseren Lehrern und Schülern persönliches Engagement." Und Lehmann zeigt sich überzeugt davon, dass die hochgesteckten Ziele erreichbar sind, "da auf Schloss Torgelow in Klassen mit höchstens 12 Schülern unterrichtet wird. Im Unterricht wird jeder Einzelne nicht nur gefordert, sondern auch ganz individuell gefördert." Die ersten zwölf Jahre des Bestehens der Schule hätten gezeigt, dass die Idee, leistungsstarke Kinder gemeinsam in einem Klassenzimmer zu fördern, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit gebe, ihr akademisches Potenzial voll zu entfalten.
Das Bildungskonzept sei bestechend einfach, dass er sich frage, warum es an staatlichen Schulen nicht angewendet werde. "Es stützt sich auf vier Säulen: 1. neugierig machen auf Neues, 2. Stoff vermitteln, 3. wiederholen und 4. anwenden." Das klingt wirklich simpel, muss aber von großem Erfolg sein, denn schließlich kann Torgelow mit einem Abitur-Leistungsschnitt von 1,9 aufwarten. Das ist Spitze unter den Internatsgymnasien in Deutschland.
2300 Euro pro Monat
Ich bin baff: Höchstens zwölf Kinder in einer Klasse. Über 50 Freizeitbeschäftigungen am Nachmittag und Abend, Team-, Kreativ- und Sportprojekte, Abitur nach zwölf Jahren oder bei entsprechender Reife auch früher. Wer soll das bezahlen, wer sind die Schüler auf Torgelow? Lehmann stimmt mir zu, dass die Frage nach den Kosten leider oft entscheidend ist für die Auswahl der Schule. Natürlich könne nicht jeder die rund 2.300 Euro Schul- und Internatskosten monatlich für sein Kind aufbringen. Er verweist aber auf die Möglichkeiten eines Stipendiums und weiterer Zuschüsse für soziale Härten – immer abhängig von den Leistungen der Kinder und dem Einkommen der Eltern. Dadurch ließen sich die Kosten erheblich senken, bis hin zum Vollstipendium. "Der erste Eindruck mag Sie vielleicht getäuscht haben", stellt Lehmann klar, "es ist bei weitem nicht so, dass hier nur Kinder reicher Eltern unterrichtet werden. Hier zählen neben guten schulischen, musischen und sportlichen Leistungen auch das soziale Engagement der Schüler und auch Eltern." Das Auswahlverfahren für die Stipendien sei nicht leicht, aber ganz bestimmt fair.
Nach einer Stunde entlässt mich Mario Lehmann. Er möchte gerne mit den Eltern der Neuen sprechen. Ein enger Kontakt zum Elternhaus sei ihm sehr wichtig, sagt er Hände schüttelnd und wünscht mir eine gute und stressfreie Heimfahrt.
Der Geist von Torgelow
Irgendwie verspüre ich schon jetzt keinen Stress mehr. Ist das der Geist von Torgelow? Vor dem Jagdzimmer wartet die 12-jährige Clara. Sie habe gleich einen Termin, eine Führung. Zwei Kinder wollen ihre siebte Klasse verstärken, erzählt sie. Auch das kann Torgelow: die Führung durch das Internat von einer Gleichaltrigen. Sofort wird eine Basis des Vertrauens geschaffen. Die Kinder stellen ihre wichtigsten Fragen und bekommen die richtigen Antworten. Aber jetzt muss Clara los, denn ihre Gäste, die "Familie vom Kamin", wird eben von Herrn Lehmann verabschiedet. Die Kinder sehen jetzt wesentlich entspannter aus. Plappernd ziehen sie mit ihrer Schlossführerin davon.
Ich hänge mich an und folge ihnen zunächst unauffällig. Wenig später binden mich die Eltern der beiden Neuen, sie heißen Dorothea und Johann, ins Gespräch ein. Wieder muss ich klarstellen, dass ich weder Lehrer noch Mentor bin und einfach nur noch ein wenig Internatsstimmung einfangen möchte. Von "Internatsmief" ist auf Schloss Torgelow nichts zu riechen. Hier sind die Nebengebäude für Schüler, Unterricht, Sport und Mensa neu errichtet - vom Feinsten versteht sich. Der Berliner Architekt Kai Auffermann hat hier ganze Arbeit geleistet. Clara führt ihre künftigen Klassenkameraden durch das Jungenhaus. Das Haus für Mädchen liegt schräg gegenüber. "Wir können uns sehen und zurufen", erklärt sie und die drei kichern. Natürlich könne man sich auch offiziell besuchen. Die Zimmer sind klein aber fein. Immer für zwei Kinder in den Unterstufen. Später stehen auch Einzelzimmer zur Verfügung.
"Interactive Whiteboards"
Clara führt durch die modernen Klassenzimmer mit maximal zwölf Pulten. Für die Schülerinnen und Schüler der Oberstufenklassen gehören Kreide und Tafel der Vergangenheit an. Statt herkömmlicher Tafeln können Schüler und Lehrer "Interactive Whiteboards" benutzen. In Verbindung mit Computer und Beamer funktioniert das Board als riesiger Bildschirm, der während einer Anwendung einfach per Fingerdruck bedient werden kann. Der Finger dient dabei als Maus, Stift oder Schwamm. Zudem sind alle Klassenzimmer mit einer Standleitung ins Internet verbunden, so dass das World Wide Web jederzeit in den Unterricht eingebunden werden kann.
Der neue Fachtrakt mit Oberstufenzentrum hebt sich deutlich von den Restgebäuden ab. Gewählt wurde eine Gestaltung in Schwedenrot und eine Lärchenholzverschalung im 1. Obergeschoss. Andere Gebäude sind gelb und blau. Im neuen Musikkabinett steht ein Schimmel-Flügel, die Sporthalle ist tipptopp in Ordnung, angeschlossen sind ein Fitnessraum und ein Golfsimulator. Natürlich gibt es auch Plätze für Tennis, Fußball, Handball, Volleyball und noch vieles mehr.
Ob ihr denn gar nichts Negatives einfalle, wollen die beiden Siebtklässler wissen. "Naja", meint Clara, "vielleicht sind die Internatsregeln ein wenig streng." Sie berichtet vom Silentium, vom Handyverbot und vom Rauchverbot, was sie irgendwie dann doch ganz o.k. findet. In allen Häusern herrsche strengstes Rauchverbot. Wenn, dann dürfen ohnehin nur die Schülerinnen und Schüler der 11. und 12. Klassen rauchen. Dann aber auch nur in der Raucherecke. "Wer im Haus raucht, wird mit einer Woche Internatssperre belegt." Das stelle man sich mal vor: Anderenorts werden die Kinder mit Nachsitzen bestraft, hier mit Schulentzug. Das sagt viel über das Verhältnis der Torgelower zu ihrem Internat. Kein Pardon gibt es allerdings beim Konsum von Drogen: "Wer dabei erwischt wird, fliegt. Ohne Widerspruch."
Im Land der Ideen
Zum Abschluss führt Clara ihre Besucher zur Seeterrasse und berichtet vom Seeungeheuer, das unter einer der beiden Inseln leben soll. Ein bisschen Grusel für das Internatsgymnasium Schloss Torgelow. Im Namen des Hauses darf die 12-Jährige ihre Gäste zum Mittagessen in die Mensa einladen. Sie ziehen davon und ich rechne im Kopf nach: Zwei Kinder mal 2.300 Euro monatlich minus möglicherweise Stipendium und Geschwisterrabatt. Die Eltern von Dorothea und Johann werden sich strecken müssen. Und das dritte Kind soll ja auch noch in den Genuss einer Elite-Bildung kommen im Land der Ideen.
Quelle: ntv.de