Dossier

Riskante Steuer-Strategie Merkel auf dem Parteitag

Die Kanzlerin schritt recht eilig zur Sitzung des CDU-Präsidiums. Fragen zum Steuerstreit in der Union wollte Angela Merkel zunächst nicht beantworten. Es war ihr aber anzumerken, dass dies in den nächsten Tagen kein einfacher Parteitag sein könnte.

Über den Beratungen in Stuttgart wird, obwohl sich Merkel im CDU-Bundesvorstand voll durchsetzte, immer die Frage schweben: Tut die Kanzlerin in dieser tiefen, tiefen Wirtschaftskrise das Richtige, wo andere Länder mit den Milliarden nur so um sich schmeißen? Ist das, was die Bundesregierung an Programmen auflegt, wirklich genug, wo Deutschland so von der Weltkonjunktur abhängig ist?

Da kann das Ergebnis ihrer fünften Wahl zur CDU-Vorsitzenden am Montag noch so gut ausfallen - die Fragen werden bleiben. Und so baute Merkel trotz des "Neins" zur Einkommensteuerreform auch vor. Schon im Januar könnte in Sachen Konjunkturbelebung nachgelegt werden, sagte sie.

Ein wenig hatte es in den vergangenen Wochen den Anschein, als wollten Merkel und ihr Generalsekretär Ronald Pofalla partout an der ursprünglichen Konzeption für den Parteitag festhalten, die noch vor der Krise feststand. Das Motto wurde jedenfalls nicht geändert: "Die Mitte. Deutschlands Stärke." ist die Veranstaltung nach wie vor überschrieben - und nicht etwa "Stark in der Krise".

Krise erst auf Seite zwei

Auch in der Einleitung des entsprechenden Leitantrags, der ebenfalls an diesem Montag von den 1001 Delegierten beschlossen werden soll, findet die aktuelle Lage zunächst nicht statt: "Angesichts der Herausforderungen im vor uns liegenden zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts sind wir der Überzeugung, dass unser Land nur aus der Mitte erfolgreich gestaltet werden kann", lautet der erste Satz. Auf die Krise wird expressis verbis erst auf Seite zwei eingegangen.

Der Eingangssatz des Leitantrags klingt erstaunlich unaufgeregt in einer Zeit, wo so vieles infrage steht, die Erwartungen groß sind und die Rufe nach schnellen Entlastungen lauter werden. Auf dem Parteitag soll nach Merkels Willen aber auch nicht vordergründig über die Instrumente zur Bewältigung der Krise gesprochen werden. Ob die Investitionen von Firmen vom Staat begünstigt werden sollen, wie der Autobranche zu helfen ist, was zur Rettung der Banken zu tun ist - all das ist nach ihrer Auffassung Regierungssache und nicht so sehr eine Partei-Angelegenheit.

Die Partei ist verunsichert

Das scheint riskant, schon weil auch die Partei durch die Krise verunsichert ist. Nach wie vor bezweifeln viele, dass sich das reine Krisenmanagement und die darüber hinausgehenden politischen Ziele überhaupt trennen lassen, wenn es in der Weltwirtschaft drunter und drüber geht.

Die Steuern müssten jetzt gesenkt werden, sagen der Wirtschaftsflügel und Ex-Fraktionschef Friedrich Merz. "Wenn von 1000 Euro Weihnachtsgeld nur 300 Euro netto in der Tasche bleiben, regt dies weder den Konsum an, noch ist es ein Anreiz, mehr zu arbeiten", argumentiert der Chef der Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, Josef Schlarmann. Sein Gegenmittel: eine sofortige Reduzierung der Einkommensteuer.

Merkel will Kritiker besänftigen

Davon will Merkel auch in Stuttgart nichts wissen. "Es gibt für mich einen strukturellen Unterschied zwischen einer langfristig angelegten Steuerreform und Maßnahmen, die zu einer kurzfristigen Konjunkturbelebung führen können", sagte sie bei der Besichtigung der Parteitagshalle. Sie versuchte aber auch, nicht stur zu wirken. "Ich denke schon, dass Kompromisse möglich sind." Die große Koalition habe ein Konjunkturprogramm verabschiedet und werde sich Anfang Januar noch einmal zusammensetzen und dort "alle Optionen" prüfen.

Letztlich stand der Vorstand dann voll hinter ihr: Einstimmig und bei einer Enthaltung. Nur drei der 50 Vorstandsmitglieder machten sich für rasche Entlastungen stark. Aber was, wenn die Maßnahmen nicht greifen? Werden dann nicht die Bürger sagen, Merkel hätte eher schneller und energischer handeln müssen? Umgekehrt gab ein Unions-Mann an diesem Abend zu bedenken: "Was würden die Bürger sagen, wenn wir jetzt sinnlos Geld zum Fenster rauswerfen, weil die Steuersenkung nichts bringt?"

Quelle: ntv.de, Ulrich Scharlack und Gerd Reuter, dpa

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