Dossier

Gefährliche Mission Merkel in Afghanistan

Es ist eine durchaus gefährliche Expedition, die die Kanzlerin in Afghanistan unternimmt. Eigentlich will sich Angela Merkel bei ihrer Überraschungsvisite selbst ein Bild machen, wie die Lage am Hindukusch wirklich ist, nachdem nun die NATO am Wochenende eine neue Strategie zum Sieg über die Taliban und El Kaida verabschiedet hat.

Auch die USA wollen - wie die Deutschen schon lange - mehr für den Wiederaufbau des Landes tun. Doch das Gesprächsthema in Merkels Delegation ist in diesen Stunden im Feldlager Kundus und später im Hauptquartier Masar-i-Scharif dann doch wieder die Sicherheit. Es ist ein merkwürdiger Tag.

Merkel sitzt gerade beim Gouverneur der Region, Mohammad Atta. Der berichtet, dass der Drogenanbau auf null gebracht und auch die Sicherheitslage viel besser geworden sei. Plötzlich ist ein explosionsartiges Geräusch zu hören. Der Polizeichef eilt aus dem Raum, die Sicherheitskräfte in Merkels Tross sind besorgt. Ein Selbstmord-Attentat wird schnell ausgeschlossen, aber eine Bombe oder Ähnliches nicht. Die Sicherheitsleute wollen, dass Merkel schnell in Richtung Bundeswehr-Standort zurückfährt, wo sie sicher ist.

Merkel trotzt Gefahren

Der Tross aus Panzerwagen und geschützten Fahrzeugen steht zum Abmarsch Richtung Sicherheit bereit. Die Kanzlerin steigt ein. Doch dann entscheidet Merkel anders. Sie setzt in aller Seelenruhe die ursprünglich geplante Besichtigungstour fort und fährt ziemlich unbeeindruckt durch die Innenstadt zu einem Hospital und dann in ein Polizeicamp. Später berichten ihre Leute, dass die heimische Polizei die Explosion mit einem geplatzten Reifen erklärt habe. Ganz überzeugt sehen sie nicht aus. Merkel stellt sich derweil mit Polizistenausbildern im Nieselregen zum Gruppenbild auf.

Als hätte das ganze nicht genügt, erweist sich auch ihre erste Reise-Station, das Feldlager Kundus, als Sicherheitsrisiko. Schon vor der Merkel-Visite war es rund um das Lager im Norden des Landes ziemlich unruhig, wenn auch alle Vorfälle glimpflich ausgingen. Erst fuhr ein Panzerwagen auf eine Sprengfalle, dann wurden Bundeswehrsoldaten zweimal beschossen. Als Merkel am Morgen eintrifft, ist jedoch alles ruhig. Sie macht ihre Runde, spricht mit den Vertretern der Nicht-Regierungsorganisationen, schaut bei den Soldaten vorbei.

Raketenanschlag auf Bundeswehr-Lager

Der Hubschrauber mit der Kanzlerin hebt gegen 11.00 Uhr Ortszeit ab und donnert im Tiefflug gen Masar-i-Scharif. Zum Schutz haben Maschinengewehrschützen ihre Waffen an den Fenstern in der Hand. 23 Minuten nach dem Start werden laut Bundeswehr auf das Lager zwei Raketen abgefeuert, was unschön ist, aber in Kundus aber schon fast Alltag. Interessant wird die Sache aber dadurch, dass anschließend ein Taliban-Sprecher behauptet, die Radikalislamisten hätten die Flugkörper auf das Flugzeug Merkels abgefeuert - und zwar noch vor der Landung. Nur gab es gar kein Flugzeug, sondern einen Hubschrauber und während des Fluges war - weder bei der Landung noch beim Start - weit und breit keine Rakete zu sichten gewesen.

Der Westen droht in Afghanistan zu scheitern, sagen viele. Die Stunden Merkels an den Orten des Geschehens scheinen es zu belegen. Sie besucht zwar kleine Orte der Hoffnung, wie Schulen oder das Krankenhaus. In Kundus hört sie den zivilen Aufbauhelfern zu. Sie erfährt, dass immerhin schon 20 Prozent der Bevölkerung von Kundus an die Wasserversorgung angeschlossen sind. "Woher bekommen die anderen das Wasser", fragt sie. Antwort: Aus Brunnen, die aber nicht sauber sind.

Doch Masar-i-Scharif wirkt trostlos an diesem grauen Tag. Und auch die Sicherheitslage bleibt instabil, wie dieser Tag gleich mehrfach gezeigt hat. Merkel stellt am Ende Deutschland schon einmal auf eine längere Präsenz in Afghanistan ein.

Ulrich Scharlack, dpa

Quelle: ntv.de

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