Schwieriger Weltklimavertrag Milliarden-Streit droht
25.07.2009, 17:10 UhrWährend die Industrienationen nicht verraten wollen, wer wieviel für die Reduzierung der Erderwärmung leisten will, lassen sich die Schwellen- und Entwicklungsländer erst gar nicht auf verbindliche Klimaziele festlegen. Doch die Zeit drängt.
Wer sich zuerst rührt, hat verloren. Weder Industrie- noch Schwellenländer verraten in den Weltklimaverhandlungen, wer wieviel leisten will. Erst müsse klar sein, für was die geforderten Milliarden ausgegeben werden sollen und wer sie verwalten wird, betonen die künftigen Geber. Neben der EU sind das vor allem die USA, Japan, Australien und Kanada. Die Schwellen- und Entwicklungsländer wiederum wollen sich nicht auf verbindliche Klimaziele festlegen - und schon gar nicht ohne feste Finanzzusagen der reichen Welt.
Dabei tickt die Uhr. Die Welt soll sich im Dezember in Kopenhagen auf ein neues Klimaabkommen einigen. Das Treffen der europäischen Umweltminister im nordschwedischen Wintersportort Åre war "das letzte Trainingscamp vorm Finale", witzelte Schwedens Umweltminister Andreas Carlgren. Mag Carlgren - in Lederjacke und roten Jeans - sich auch locker geben: Er weiß, auf ihn kommen harte Zeiten zu. Als amtierender EU-Ratsvorsitz vertritt Stockholm die EU in den Klimaverhandlungen und muss nach Außen sowie EU-intern die Wogen glätten.
192 Staaten müssen sich einigen

Die westlichen Industrienationen sind maßgeblich für die globale Erderwärmung verantwortlich.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Zumindest auf ein "Substanz-Abkommen" müssen sich die 192 Staaten einigen, die in Kopenhagen am Verhandlungstisch sitzen werden. Die "technischen Details" könnten auch hinterher noch ausverhandelt werden, heißt es in Verhandlungskreisen. Gelinge aber in der dänischen Hauptstadt nicht der Durchbruch, und bis etwa Mai 2010 der endgültige Vertragsabschluss, schlössen sich wichtige Zeitfenster.
So sind im Herbst 2010 die Kongresswahlen in den USA ein wichtiger Testlauf für Präsident Barack Obama. Unter seiner Ägide haben sich die USA zum Klima-Hoffnungsträger gewandelt, Obama im Wahlkampf aber wären die Hände gebunden. 2012 läuft das Kyoto-Protokoll aus, bis dahin muss der neue Weltklimavertrag in Kraft sein.
Auf höchstens zwei Grad über dem vorindustriellen Durchschnitt dürfen sich die Temperaturen erwärmen, lautet der Konsens. Der globale Kohlendioxid (CO2)-Ausstoß muss sich bis 2050 halbieren. Da die Schwellenländer noch gigantisches Wachstum verzeichnen werden, müssen die entwickelten Staaten um gut 80 Prozent reduzieren.
Jeder trickst bei der Lastenverteilung

Die ärmeren Länder pochen auf ihr Recht auf Entwicklung und haben dabei wenig klimaschützende Ziele im Sinn.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Nun tobt die Schlacht um die Lastenteilung. Auch die Europäer scheuen sich nicht vor Tricks. Beispiel Basisjahr: Die EU hat bereits beschlossen, ihren CO2-Ausstoß gegenüber 1990 bis 2020 um 20 Prozent zu senken. Klingt gut, zieht man aber 2005 als Basisjahr heran, wie Japan oder die USA fordern, sind es nur noch 14 Prozent. Bei diesem Vergleichszeitraum werfen Tokio und Washington ähnliche Quoten in die Waagschale, mit 1990 als Basisjahr wären es dagegen nur noch 9 und 7 Prozent - weit unter den Forderungen der Wissenschaft. Europa hat in den 90er Jahren einen massiven Einbruch der Ostblock-Schwerindustrie verzeichnet und damit einen automatischen Rückgang des CO2-Ausstoßes. Die USA und Japan haben dagegen starke Wachstumsraten verzeichnet.
Beim Thema Geld wird es zwischen reichen und armen Ländern kritisch. 100 Milliarden Euro könnten Schätzungen zufolge weltweit im Kampf gegen den Klimawandel nötig werden. Klar ist: Die Industrienationen müssen die Zeche zahlen. Sie haben den Klimawandel verursacht. Da die Dritte Welt ihren Anspruch Wachstum geltend macht und die Industrienationen verlangen, dieses müsse kohlenstoffarm sein, müssen diese blechen. Konkrete Finanzzusagen scheuen aber derzeit alle.
Indien am schwersten zu knacken
Auch die Entwicklungs- und Schwellenländer pokern. Zwar wird China Kooperation attestiert. Peking will sich aber nicht auf einklagbare Klimaziele festlegen, um seine Führungsposition im Kreis der Entwicklungsländer nicht zu gefährden. Die härteste Nuss, heißt es, sei Indien. Das Land verlangt das Recht auf Pro-Kopf-Emissionen ähnlich der der reichen Länder - für den Planeten eine Katastrophe.
Von verhärteten Fronten will man in Verhandlungskreisen aber nichts wissen. Es sei übliches Stimmengewirr, jeder bezöge Stellung. Auch die Summen wirken ins Verhältnis gesetzt nicht utopisch. So fließen ähnliche Gelder an Entwicklungshilfe, die globalen Agrarsubventionen betragen bis zu 500 Milliarden Euro im Jahr.
Bleibt der EU-interne Streit um die Lastenteilung. Die EU wird ihren Anteil nach einem Verteilungsschlüssel auf die Mitgliedstaaten umlegen, der noch ausgehandelt werden muss und keineswegs dem internationalen Schema entsprechen muss. Polen, das schmutzige Kohle zur Energieerzeugung verbrennt, fordert als Rechengrundlage vor allem die Wirtschaftsleistung und nicht den CO2-Ausstoß. Für die EU geht in Kopenhagen der Milliarden-Streit erst richtig los.
Quelle: ntv.de, Dorothée Junkers, dpa