Krise mit neuer Ehtik meistern Papst legt Sozialenzyklika vor
07.07.2009, 15:46 UhrAls im schwarzen Herbst 2008 amerikanische Banken wie Kartenhäuser zusammenbrachen, allen voran Lehman Brothers, war die dritte Enzyklika von Papst Benedikt XVI. fast schon fertig. Er musste also das bereits mit Spannung erwartete Rundschreiben angesichts der entfesselten Finanz- und Wirtschaftskrise nochmals überarbeiten, ganz auf den neuesten Stand bringen: Gewissenhaftigkeit war dem Pontifex wichtiger als Eile. Und so kommt Joseph Ratzingers Sozialenzyklika "Caritas in veritate" (Die Liebe in der Wahrheit) neun Monate später heraus - als hochaktuelle Streitschrift zur Globalisierung, gegen ein rücksichtsloses Profitdenken und für Moral und Ethik im Wirtschaften.

Die Sozialenzyklika "Caritas in veritate" kommt mit neun Monaten Verspätung - als hochaktuelle Streitschrift zur Globalisierung
(Foto: dpa)
"Die ganze Wirtschaft und das ganze Finanzwesen müssen nach ethischen Maßstäben als Werkzeuge gebraucht werden, so dass sie angemessene Bedingungen für die Entwicklung des Menschen und der Völker schaffen." So geht Benedikt in seiner Sozialenzyklika von mangelnder Ethik in der Finanz- und Wirtschaftswelt aus. Die Krise bietet eine Chance, und auch die Globalisierung ist nicht das Übel an sich, braucht aber neue Regeln: "Dafür ist das Vorhandensein einer echten politischen Weltautorität dringend nötig". Und so wie er es sieht, müsste diese "von allen anerkannt sein, über wirksame Macht verfügen, um für jeden Sicherheit, Wahrung der Gerechtigkeit und Achtung der Rechte zu gewährleisten." Das können die UN kaum leisten.
Kein Politiker, sondern ein Mahner
Benedikts Plädoyer für ein humaneres Fortschrittsmodell, das sich am Gemeinwohl und am Respekt vor der Menschenwürde ausrichtet, hätte zeitgerechter wohl nicht publik werden können: Der Papst legt seine Reflexionen über Sinn und Ziel weltweiten Wirtschaftens den "großen Acht" als druckfrische Bettlektüre in L'Aquila ans Herz. "Caritas in veritate" kam genau 24 Stunden vor dem G8-Gipfel der sieben führenden Industriestaaten und Russlands heraus. Ein Zufall? Sicherlich nicht ganz. In jedem Fall war es für den Papst ein sehr passendes Timing.
Benedikt versteht sich als Mahner, nicht als Politiker. An konkreten Rezepten mangelt es. Er hat aber in den Tagen rund um den Gipfel im nicht weit entfernten L'Aquila Gelegenheit, seine Gedanken über eine soziale Zukunft und eine globale Solidarität auch mit US-Präsident Barack Obama in einer Audienz zu erörtern - und zu betonen, wie sehr er diese Krise als eine Bewährungsprobe ansieht, Moral zu schaffen, armen Ländern zu helfen, eine "Weltfamilie" zu begründen.
Er knüpft damit an Sozialenzykliken seiner Vorgänger an. Paul VI. und Johannes Paul II. hatten "Kapitalismuskritik" geleistet sowie Profitdenken und die Kluft zwischen Arm und Reich gegeißelt. Die Krise jetzt macht die "ethischen Defizite" für Benedikt noch klarer.
Fachleute um sich versammelt
"Niemand hat den Papst zum Gipfel nach L'Aquila eingeladen", mit "Caritas in veritate" nagele er aber die großen Acht auf eine neue Verantwortung fest, so meinte das katholische Wochenblatt "Famiglia Cristiana" stolz. Dass der ebenso hochgebildete wie hoch engagierte deutsche Papst mitreden kann, verdankt er auch den Fachleuten, die er für dieses wichtige Schreiben in Zeiten der Krise um sich versammelt hat. Da ist vor allem Stefano Zamagni, ausgewiesener Wirtschaftsmann von der Universität Bologna. Nicht nur gehe Benedikt breit auf die Gefahren des Raubbaus an der Umwelt ein, sondern propagiere als einen Vorschlag das gemeinnützige, soziale Wirtschaften ohne Gewinnziel: "Erstmals steht somit dieses "non profit" in einer Enzyklika."
"Realismus, Vertrauen und Hoffnung" sind in der tiefen Krise gefragt. Die Welt braucht Erneuerung und Rückbesinnung auf soziale Werte, soll es eine bessere Zukunft auch für die Armen geben: "Ohne rechtschaffene Menschen, ohne Wirtschaftsfachleute und Politiker, die in ihrem Gewissen den Aufruf zum Gemeinwohl nachdrücklich leben, ist die Entwicklung nicht möglich", so heißt es in "Caritas in veritate". Benedikt sei Wort für Wort in einer Art "Schlussredaktion" über seine Enzyklika gegangen, die ihm so am Herzen lag. Ob die Welt ihn erhört?
Quelle: ntv.de, Hanns-Jochen Kaffsack, dpa