Terror im Irak Regierung und US-Armee schweigen
01.08.2009, 16:29 Uhr
Eine Autobombe explodierte am Freitag vor einer schiitischen Moschee.
(Foto: ASSOCIATED PRESS)
Stell dir vor, es explodieren Bomben und kaum einer schaut hin! Nach diesem Motto scheinen derzeit die Regierung und die US-Armee im Irak zu agieren. Die von den Schiiten dominierte Regierung unter Ministerpräsident Nuri al-Maliki will ihre Misserfolge bei der Terrorbekämpfung mit Blick auf die Parlamentswahl im kommenden Januar herunterspielen. Die Amerikaner versuchen, die Sicherheitslage in einem positiven Licht zu zeigen, damit sie rechtfertigen können, dass sie ihren Abzug aus dem Irak beschleunigen.
Als am Freitag binnen weniger Minuten neben fünf verschiedenen Schiiten-Moscheen im Großraum Bagdad Sprengsätze detonieren, äußert sich dazu öffentlich zunächst kein einziges Regierungsmitglied. Es ist in diesem Monat schon die zweite große Bombenserie gegen Schiiten. Am 12. Juli waren zudem kurz hintereinander Bomben vor sieben christlichen Gotteshäusern explodiert.
Gates: Sicherheitslage "besser als erwartet"
US-Verteidigungsminister Robert Gates hatte erst zwei Tage zuvor nach einem Besuch im Irak erklärt, der Abzug der amerikanischen Soldaten könne vielleicht noch etwas schneller als bisher geplant beendet werden. Der US-Kommandeur im Irak, General Ray Odierno, habe ihm berichtet, die Sicherheitslage habe sich "besser als erwartet" entwickelt. Ende Juni hatten sich die US-Kampftruppen bereits aus den irakischen Städten und Dörfern in ihre Militärstützpunkte außerhalb der Ortschaften zurückgezogen.
Die Zahl der Terroranschläge auf Iraker hat seither weder zu- noch abgenommen. Sicherer geworden ist es im Irak nur für die US-Soldaten, die für Terroristen und Aufständische jetzt nicht mehr so leicht erreichbar sind.
Nebulöse Anschuldigungen
Wenn es darum geht, die Schuldigen für den Terror zu benennen, ergehen sich die meisten irakischen Politiker in nebulösen Anschuldigungen, die an die Ära von Ex-Präsident Saddam Hussein erinnern. Auch damals war oft von "Feiglingen, Verschwörern und Mächten der Finsternis" die Rede gewesen.
"All diese Explosionen der vergangenen Tage vor Moscheen, christlichen Gotteshäusern und auf Märkten sind das Werk ausländischer Mächte, und die irakische Regierung muss den Staaten, die in diese Gewalttaten verwickelt sind, entschlossen entgegentreten", erklärt die Abgeordnete Seinab al- Kanani von der Fraktion des oppositionellen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr. Sie glaubt, dass die jüngsten Anschläge Vorboten des Wahlkampfes sind. Doch was die Bestrebungen von Terroristen, die das Land offensichtlich in einen Bürgerkrieg manövrieren wollen, damit zu tun haben, dass die Iraker im kommenden Januar ein neues Parlament wählen, sagt sie nicht.
"Wir haben es gründlich satt"
"Es wird bis zur Wahl wohl noch mehr Anschläge geben", kommentiert ein Beamter aus Bagdad. "Wir alle haben es gründlich satt, immer nur vom Terror zu sprechen", fügt er hinzu. Viele seiner Bekannten schalteten inzwischen innerlich ab, wenn sie in der Ferne einen dumpfen Knall hörten oder wenn im Radio die neuesten Opferzahlen vorgetragen werden.
Quelle: ntv.de, Anne-Beatrice Clasmann, dpa