"Afghanistan ein Kriegseinsatz" Risikobereit am Hindukusch
01.07.2008, 13:32 UhrFür Christine Buchholz ist Deutschland jetzt im Krieg. Die Bundesregierung könne nicht mehr leugnen, "dass der Bundeswehreinsatz in Afghanistan ein Kriegseinsatz an der Seite der USA ist", sagt die Linke-Politikerin zur Übernahme der schnellen Eingreiftruppe (Quick Reaction Force/QRF) durch die Bundeswehr in Nord-Afghanistan. In der Bundeswehr hält man das für Quatsch.
Erstens habe die internationale Schutztruppe ISAF ein UN-Mandat, zweitens wird sie von der NATO geführt und drittens operieren die Deutschen nicht nur an der Seite der USA, sondern gemeinsam mit rund 40 Staaten, argumentieren deutsche Militärs. Der Begriff Krieg sei für die Kämpfe in Afghanistan ebenfalls unangemessen. Es wird inzwischen aber unumwunden zugegeben, dass die Bundeswehr einen Kampf-Auftrag hat. Und damit ist nicht nur die QRF gemeint.
Gefühlter Kampfeinsatz
"Fragen Sie mal die Kameraden in Kundus, die jede Nacht ausgerückt sind, ob die das Gefühl hatten, sie hätten keinen Kampfauftrag. Ich sehe da keinen qualitativen Unterschied ... Teil unseres Auftrags ist, kampfbereit zu sein", sagt der deutsche ISAF-Regionalkommandeur, General Dieter Dammjacob, dem "Tagesspiegel" (Berlin). Für den einzelnen Betroffenen könne es sein, dass die Soldaten der QRF häufiger in brenzlige Situationen kämen als andere.
Dammjacob wollte am Montagabend im Bundeswehrfeldlager in Masar-i- Scharif der norwegischen QRF die NATO-Einsatzmedaillen verleihen und das Kommando auf die Deutschen übertragen. Im sogenannten Gefechtsstand sind diese dann vom 1. Juli an. Die Norweger stellten die schnelle Eingreiftruppe seit dem Frühjahr 2006. Im vorigen Jahr zeigten sie an, dass sie diese Aufgabe abgeben wollen. Schnell war klar, dass der Auftrag auf Deutschland zulaufen würde. Deutsche NATO-Generäle halten es auch für selbstverständlich, dass Deutschland im eigenen Zuständigkeitsbereich innerhalb der ISAF - das ist der Norden - die schnelle Eingreiftruppe stellt.
"Risiko für Leib und Leben"
Lange wurde von Politikern in Deutschland die Gefahr des Einsatzes heruntergespielt. Viele hatten Angst, der Widerstand in der Bevölkerung, die den Afghanistan-Einsatz mehrheitlich ablehnt, könnte größer werden. Erst mit der QRF kam mehr Offenheit in die Debatte. Auch Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) spricht von einem "Risiko für Leib und Leben" und davon, "dass es leider wahr ist, dass sich in der letzten Zeit die Sicherheitslage verschärft hat."
Die Einsätze der norwegischen QRF gelten als überschaubar. Sie hat nach offiziellen Angaben auch keinen Toten zu beklagen. Nach Dammjacobs Berichten ist die Lage im Einsatzgebiet angespannt, aber unter Kontrolle. Für den Kommandeur der schnellen Eingreiftruppe der Bundeswehr, Gunnar Brügner, ist es der erste Auslandseinsatz. Der 40-Jährige verlässt sich auf eine 200 Mann starke Truppe aus einsatzerfahrenen älteren Kameraden und den jungen "mit dem Drang nach vorn". Er sagt, seine Einheit sei optimal auf den Einsatz vorbereitet: "Ausbildung und Praxis stimmen überein." Im November sollen sie zurück in Deutschland sein. Ihre Nachfolger üben schon jetzt. Man darf davon ausgehen, dass die Bundeswehr von nun an so lange die QRF stellen wird, wie sie in Afghanistan bleibt.
Immer mehr Soldaten
Sie gilt als ein Teil der Angebotspalette der Bundesregierung, um die Bundeswehr vor den NATO-Anfragen nach mehr Kräften für den umkämpften Süden zu schützen. Seit dem NATO-Gipfel in Riga Ende 2006, wo die Allianz im Verbund mit den USA die Bündnispartner zu mehr Engagement im Süden ermahnte, hat Deutschland zunächst sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge für das ganze Land geschickt und das Kontingent um 500 Soldaten aufgestockt. Nun folgt die QRF und das Mandat soll im Herbst abermals erhöht werden - auf 4500 Soldaten. Die ISAF hat inzwischen mehr als 52.000 Soldaten. Doch bei aller Truppenverstärkung - die Sicherheit hat sich in Afghanistan zugleich verschlechtert.
Kristina Dunz und Can Merey, dpa
Quelle: ntv.de