Schatten der Vergangenheit Rolle der CDU in der DDR
29.11.2008, 11:43 UhrLange schon schwelt der Streit über die Rolle der Ost-CDU vor dem Mauerfall. Doch unmittelbar vor dem Stuttgarter Parteitag gewinnt das Thema nun eher unfreiwillig an Brisanz, nachdem Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wegen seiner DDR-Vergangenheit in die Schlagzeilen geriet. Allzu gern präsentiert sich die CDU nämlich als die Partei der Einheit und attackiert vor allem die Linkspartei wegen deren DDR-Erbe. Gerade deshalb müssen sich die Christdemokraten nun den Vorwurf gefallen lassen, sie hätten sich bisher nicht offensiv genug mit der eigenen Vergangenheit auseinandergesetzt.
Dass die Schatten der Vergangenheit die CDU nun vor dem Parteitag einholen, hat nicht zuletzt die Parteispitze mit verschuldet. Denn in der ursprünglichen Fassung widmete sich der Antrag zu "Perspektiven für den Osten Deutschlands" zwar ausgiebig der Rolle der SPD und der Linken im Zuge der Wiedervereinigung. Ein Hinweis zur DDR-CDU fehlte aber völlig. Erst nach einiger Kritik auch aus den eigenen Reihen legte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla später nach und kündigte an, ein entsprechendes Kapitel für das Grundsatzpapier "Geteilt. Vereint. Gemeinsam" werde nachgereicht und auf dem Bundesparteitag zur Abstimmung gestellt.
"Zwangsweise gleichgeschaltet"
In der aktuellen Fassung der Antragskommission heißt es nun unter anderem, die CDU sei von der SED als führender Partei der DDR "zwangsweise gleichgeschaltet" worden. Sie habe aber die "Idee der christlichen Demokratie auch in Zeiten der Diktatur wach" gehalten. Gleichwohl habe die CDU in der DDR "im totalitären System der SED-Diktatur mitgewirkt". Für Wirbel sorgt indes ein noch viel weitergehender Antrag des Kreisverbandes Halle, der die Führung der DDR-CDU gar als Organisation aus "Einflussagenten und Handlangern der SED" bezeichnet. Die Mitglieder der DDR-CDU hätten das politische System stabilisiert, heißt es darin. Eine Mehrheit wird der Antrag freilich kaum finden.
Ganz ausgeblendet hat die CDU ihre Vergangenheit bislang nicht. Pofalla verweist in diesem Zusammenhang auf die Weimarer Erklärung von 1991, den Dresdner Parteitagsbeschluss von 1991 und das Grundsatzprogramm von 1994 "Freiheit in Verantwortung", in denen sich die Partei bereits mit der Rolle der Ost-CDU auseinandergesetzt habe. Auch in dem 2007 beschlossenen Grundsatzprogramm der Thüringer CDU gibt es eine entsprechende Passage.
Doch die aktuelle Debatte um Tillich zeigt einmal mehr, wie schwer sich die Partei mit dem Thema immer noch tut. Vor einigen Tagen war bekanntgeworden, dass Tillich zu DDR-Zeiten als Vertreter der CDU-Blockpartei im Rat des Kreises Kamenz an einer Kaderschulung teilnahm und mindestens zweimal dienstlichen Kontakt mit der Stasi hatte. Er habe für sich einen Weg gesucht, sich unter den damaligen politischen Rahmenbedingungen zu "entwickeln", erklärte Tillich.
CDU will sich positionieren
Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus, der wie Tillich schon vor der Wende CDU-Mitglied wurde, wurde in den vergangenen Jahren immer wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Wiederholt wies Althaus aber den Vorwurf der Systemnähe in der DDR etwa im Zusammenhang mit Berichten über die Auszeichnung mit einer Verdienstmedaille der Jugendorganisation zurück.
Um ihre Glaubwürdigkeit zu wahren, muss sich die CDU - auch mit Blick auf das kommende Superwahljahr - konsequent ihrer eigenen Vergangenheit stellen. Die Partei dürfe nicht nur auf andere zeigen, fordert Marco Tullner, der für die CDU im Magdeburger Landtag sitzt. Mit ihrem Perspektivpapier Ost, das der Parteitag nun verabschieden soll, will sich die CDU positionieren. Denn in den neuen Ländern sitzt ihr vor allem die Linkspartei im Nacken, der die Christdemokraten Geschichtsklitterung vorwerfen. 2009 jährt sich aber auch die Wiedervereinigung zum 20. Mal - für Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer eine gute Gelegenheit für die Christdemokraten, ihre eigene Vergangenheit als DDR-Blockpartei aufzuarbeiten.
Quelle: ntv.de, Andrea Hentschel, AFP