"Konzentration aufs Militär war ein Fehler" Struck auf Abschiedstour
04.06.2009, 13:55 UhrDeutschland wird auch künftig am Hindukusch verteidigt, nur nicht mehr mit ihm an der vordersten politischen Front.

Struck flog in einem Bundeswehr-Transporthubschrauber CH 53 von Masar-i-Scharif in das Camp Mike Spann.
(Foto: dpa)
Fast ist es wie früher. "Adju", rief Peter Struck immer, wenn der ihm persönlich zugeordnete Offizier ein Problem lösen sollte. Sein damaliger Adjutant ist längst General und Struck schon lange nicht mehr Verteidigungsminister. Doch auf Strucks letzter Afghanistan-Reise als aktiver Politiker ist der inzwischen zum Leiter des Einsatzführungsstabes aufgestiegene Militär qua Amt wieder mit im Bunde. Und als der SPD-Fraktionsvorsitzende Struck nun in Kabul "Adju" ruft, ist der Stabschef zur Stelle. Strucks Bitte war: "Haben Sie eine Zigarette?"
"Herr Minister"
Struck ist auf Abschiedstour. Bei den Soldaten war und ist der Politiker beliebt - sie sprechen ihn immer noch mit "Minister" an. Die Zeit als Verteidigungsminister von 2002 bis 2005 war wohl die schönste in seiner politischen Karriere, sagt er selbst. Nach fast 30 Jahren im Bundestag hat der Sozialdemokrat angekündigt, dass er nicht mehr für das Parlament kandidieren wolle.
Rückkehr ins Ministeramt?
Wenn man bedenkt, dass er sich auch nicht durch gesundheitliche Rückschläge wie einen Schlaganfall vom politischen Geschäft hat abhalten lassen, mag man Gerüchte glauben, wonach der 66-Jährige "noch einmal den Verteidigungsminister machen könnte". Nämlich dann, wenn die SPD nach der Bundestagswahl im September stärkste Kraft in einer Ampel-Koalition werden würde. Er wisse dann auch keinen besseren als sich selbst, sagt er trocken, um laut lachend nachzuschieben, dass das nicht ganz ernst gemeint gewesen sei.
Besuch im Hauptquartier
Struck besucht das Hauptquartier der internationalen Afghanistan-Schutztruppe ISAF in Kabul. Nicht weit von hier, im damaligen Feldlager der Bundeswehr, im "Camp Warehouse", hatte er der Welt vor sieben Jahren als frisch vereidigter neuer Verteidigungsminister verkündet, Deutschland könne als nächste Nation die ISAF leiten. Das war eine kleine Sensation, denn in einer solchen Mission war die Bundeswehr bis dahin noch nie. So wurde Deutschland alsbald "Lead Nation". Und weil Struck wenig später gewahr wurde, dass sich nicht so einfach ein Land für diese Aufgabe finden ließ, schlug er kurzerhand vor: Die NATO soll das machen. Und auch das kam so.
Ziviler Wiederaufbau vernachlässigt
Strucks Bilanz des Einsatzes ist dennoch selbstkritisch: "Es war eine Fehleinschätzung, sich zu sehr auf das Militär zu konzentrieren." Der zivile Wiederaufbau des vom Krieg erschütterten Landes hätte viel früh und stärker beginnen müssen, weiß er heute. "Wir haben alle gedacht, das geht schneller. Wir haben geglaubt, wir gehen da rein und schnell wieder raus. Unser Ziel war nicht, sieben Jahre zu bleiben." Und ein Datum für den Abzug der Bundeswehr gibt es nicht - nur ein Ziel: Das Land muss sich selbst schützen können.
"Deutschland wird am Hindukusch verteidigt"
Und dann wäre da noch sein vielzitierter Satz: "Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt." Damit hatte Struck früh den Rückhalt der Deutschen für die Soldaten im Einsatz sichern wollen. Manch einer argumentierte dagegen, dann könnten auch die Taliban Afghanistan "an den Alpen verteidigen" wollen. Doch so groß wie heute war die Ablehnung des Einsatzes in der deutschen Bevölkerung noch nie. Seine Botschaft von damals habe angesichts der Kenntnisse über spätere Anschlagsplanungen in Deutschland erst recht seine Gültigkeit, meint Struck. Deutschland werde auch künftig am Hindukusch verteidigt - nur nicht mehr mit ihm an der vordersten politischen Front.
Quelle: ntv.de, Kristina Dunz, dpa