Deutsch-polnisches Verhältnis Tiefergehende Probleme
25.02.2009, 18:36 UhrVordergründig steht wieder einmal Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach im Mittelpunkt der Kritik. Dass die CDU-Bundestagsabgeordnete in den Stiftungsrat der beschlossenen Vertriebenen-Gedenkstätte einziehen soll, sorgt für wachsenden Unmut in Polen und in Deutschland. Doch der erneut ausgebrochene Streit ist auch eine Chiffre für dahinter liegende Probleme. Er betrifft über die Personalie hinaus das deutsch-polnische Verhältnis, die Rolle der Vertriebenen in Deutschland und nicht zuletzt auch die polnische Innenpolitik. Aus der Gemengelage entsteht eine brisante Mischung, die zu entschärfen der deutschen Regierung bislang nicht gelungen ist.
Der am 1. September 1939 mit dem Überfall auf Polen von Deutschland begonnene Zweite Weltkrieg und die nachfolgende Barbarei der SS-Schergen und der Wehrmacht hat bis heute nicht verheilte Wunden hinterlassen. Seit dem Fall der Mauer vor 20 Jahren bemüht sich die deutsche Politik, das Verhältnis zu Polen zu entkrampfen. Mit ihrer "Danziger Erklärung" verurteilten am 29. Oktober 2003 die damaligen Staatspräsidenten Johannes Rau und Aleksander Kwasniewski in der Debatte über die Vertreibungen gegenseitige Schuldzuweisungen und wiesen Entschädigungsansprüche zurück.
Mühevolle Integration
Später unter der national-konservativen Regentschaft der Brüder Lech Kaczynski (Präsident) und Jaroslaw Kaczynski (Regierungschef) trübte sich das Verhältnis wieder ein. Zwar ist Jaroslaw Kaczynski inzwischen abgewählt, aber manch ein polnischer Politiker bedient sich gerne des antideutschen Reflexes.
Die deutschen Vertriebenen lieferten dafür immer wieder Vorlagen. Als 1996 am "Tag der Heimat" der damalige Bundespräsident Roman Herzog allen Ansprüchen auf die früheren deutschen Gebiete eine Absage erteilte, beschimpften ihn Vertriebene als Vaterlandsverräter. Die Vermögensansprüche einer "Preußischen Treuhand" - von der sich Steinbach klar distanziert - konterkarieren den Versöhnungsgedanken der "Charta der deutschen Heimatvertriebenen" vom 5. August 1950.
Als in der jungen Bundesrepublik das vormalige SA- und NSDAP-Mitglied Theodor Oberländer vom längst vergessenen Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE) Vertriebenen-Minister im Kabinett Adenauer wurde, bestätigte dies die Vorurteile, dass in Bonn die Revanchisten regieren. Die Vertriebenen, nach dem Krieg ein beachtlicher Wählerblock, haben bitter für die Verbrechen der Nazis bezahlt, auch wenn viele von ihnen dem "Führer" zugejubelt hatten. 12 bis 14 Millionen Deutsche verloren ihre Heimat. Sie flüchteten vor der heranziehenden Roten Armee oder wurden vertrieben. Sie mussten mit Mühe im geschrumpften und verwüsteten Deutschland integriert werden.
Illusion eines neuen Deutschlands in den alten Grenzen
Die DDR verdrängte das Problem und machte aus den Vertriebenen Umsiedler. Im Westen wollten sich die organisierten Vertriebenen lange nicht mit dem Verlust der Heimat abfinden, der sie alljährlich gedachten. Im Bundestag lief die damals oppositionelle Union Sturm gegen die Ostverträge der sozialliberalen Koalition. Aber selbst die SPD, nach dem Krieg die Wiedervereinigungspartei, hing lange der Illusion eines neuen Deutschlands in den alten Grenzen nach. In einem Grußwort zum Deutschlandtreffen der Schlesier 1963 schrieben Erich Ollenhauer, Willy Brandt und Herbert Wehner: "Verzicht ist Verrat, wer wollte das bestreiten."
Als 37 Jahre später Steinbach zusammen mit dem SPD-Politiker Peter Glotz, einem Sudetendeutschen, das "Zentrum gegen Vertreibungen" initiierte, waren sofort die alten Reflexe wieder da. Die Vertriebenen wollten die Geschichte umschreiben, schallte ihnen entgegen. Alle Beteuerungen Steinbachs, die oft mit harschen Reaktionen die Stimmung anheizte, halfen da wenig. Wie fragil der deutsch-polnische Boden ist, erfuhr Bundespräsident Horst Köhler, als er im September 2006 am "Tag der Heimat" zu den Vertriebenen sprach. Obwohl er in einer sehr bedachten Rede für Versöhnung warb, sprach der polnische Regierungschef Kaczynski umgehend von einem "beunruhigenden Ereignis".
Aus dem von der SPD mit Misstrauen bedachten "Zentrum gegen Vertreibungen" wurde im Vertrag der großen Koalition ein "sichtbares Zeichen", das zunächst unsichtbar blieb. Daraus wurde nun die dem Deutschen Historischen Museum zugeordnete Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". In deren Stiftungsrat soll Steinbach einziehen. Steinbach, so meinen viele, könnte den Streit entschärfen, wenn sie ihre Person hinter die Sache stellte und auf den Sitz verzichtete.
Quelle: ntv.de, Norbert Klaschka, dpa