Dossier

SPD-Haushaltsexperte Schneider "Ungleichgewicht nicht zu akzeptieren"

Carsten Schneider ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecher der Landesgruppe Thüringen.

Carsten Schneider ist haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und Sprecher der Landesgruppe Thüringen.

(Foto: Privat)

SPD-Haushaltsexperte Schneider lässt im Interview mit n-tv.de kein gutes Haar am schwarz-gelben Sparpaket. Es sei unsozial und treffe die Ärmsten und Schwächsten der Gesellschaft. Er kündigt an, dass die SPD im Parlament und auf der Straße den Widerstand mobilisieren werde.

n-tv.de: Die Bundesregierung hat ein umfassendes Sparpaket von rund 80 Milliarden Euro bis 2014 vorgelegt. Gekürzt wird bei Subventionen, Sozialleistungen und etwa auch bei der Energiewirtschaft. Ist das der richtige Weg in wirtschaftlich schweren Zeiten?

Carsten Schneider: Wenn es denn so wäre. Natürlich brauchen wir eine Rückführung des öffentlichen Defizits bei Bund, Ländern und Kommunen. Aber es muss zum einen ökonomisch sinnvoll sein und darf die Konjunktur nicht abwürgen. Zum anderen muss politisch das Augenmaß gewahrt bleiben. Ich kann in dem nun beschlossenen Paket keine nennenswerten Subventionskürzungen erkennen, die Wohnungsbauprämie spielt etwa auch keine Rolle mehr. Der einzige Bereich ist die Kürzung der Energiesteuerermäßigung, wo allerdings auch nicht näher erläutert wird, wie sie genau aussehen soll. Dem stehen als Hauptteil die Einsparungen im Sozialbereich gegenüber. Dabei ist es nicht wirklich sicher, ob die Kürzungen auch tatsächlich zu Einsparungen führen werden. Wenn Sie nämlich den Hartz-IV-Empfängern keine Rentenversicherungsbeiträge mehr bezahlen, führt das einmal zu Altersarmut, und zum anderen fehlt in der Rentenkasse dann das Geld. Sie stopfen also ein Loch und machen an anderer Stelle ein neues auf. Und auch bei den Kürzungen im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik ist noch unklar, ob das wirklich zu Effizienzgewinnen führen wird. Von daher sind das keine harten Einsparungen und für 2014 werden sogar globale Minderausgaben und Scheinansätze wie die Wehrreform berücksichtigt. Da ist also auf Zeit gespielt und keine reale Antwort gegeben worden.

Welche Versäumnisse stecken denn in den Sparmaßnahmen?

Erstens haben Union und FDP schon ein dreiviertel Jahr verloren. Das Sparprogramm hätte man schon zu Beginn der Legislaturperiode auflegen müssen. Aber da wurden stattdessen noch neue Subventionen geschaffen, wenn ich etwa an die Ermäßigung für Hotelübernachtungen denke. Zum zweiten ist in dem Sparpaket die Bankenabgabe aufgeführt, die aber gar nicht für den Bundeshaushalt bestimmt ist. Sondern es ist eine Mehreinnahme, die als Vorsorge für den Finanzsektor bestimmt ist und diesem auch wieder zugute kommen muss, indem ein Rettungsfond für Banken aufgebaut wird. Das kann also kein Posten für den Bundeshaushalt sein. Von daher sind viele Dinge in dem Paket noch unklar, und diese Unklarheit scheint daher zu kommen, dass es in vielen Punkten keine Einigung gab. Außer im Sozialbereich, bei den Ärmsten und Schwächsten.

"Alternativlos ist gar nichts.": Die SPD würde andere Prioritäten setzen.

"Alternativlos ist gar nichts.": Die SPD würde andere Prioritäten setzen.

(Foto: dpa)

Aber sind Kürzungen im Sozialbereich angesichts der enormen Kosten nicht alternativlos?

Alternativlos ist gar nichts. Die Frage ist doch, ob die Arbeitslosen und Hartz-IV-Empfänger für die hohen Defizite verantwortlich sind und ob die Leistungen, die sie vom Staat bekommen, unangemessen sind. Ich finde nicht, dass sie es sind. Deswegen ist die Frage nach Alternativen wichtig. Die SPD ist etwa für eine Verbreiterung der Steuereinnahmebasis: Diejenigen, die in den vergangenen Jahren von Spekulationen profitiert haben, tragen jetzt keinen einzigen Cent zur Konsolidierung bei. Das ist nicht sozial.

Ein wesentlicher Grund für die Sparanstrengungen ist die Verankerung der Schuldenbremse im Grundgesetz. War ihre Einführung vielleicht ein Fehler, weil sie die finanziellen Spielräume unnötig einengt?

Nein, die Schuldenbremse ist vollkommen richtig, ansonsten würde diese Koalition ohne Sinn und Verstand weiter auf den Staatsbankrott hinwirtschaften, wie sie es bislang gemacht hat. Die Frage ist nur, welche politische Antwort man auf sie gibt, wo man Einsparungen vornimmt. Diese Koalition hat sich eben voll auf Kürzungen festgelegt und das trifft die Schwächsten der Gesellschaft, weil der Bundeshaushalt zu 50 Prozent aus dem Sozialbereich besteht.

Wird die SPD jetzt Widerstand gegen die Kürzungen organisieren und auch Proteste auf der Straße unterstützen?

Ja, da gehe ich fest von aus, denn dieses Ungleichgewicht ist nicht zu akzeptieren. Wir werden das parlamentarisch mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln machen. Aber es braucht auch ein klares Signal der Bevölkerung, dass das nicht akzeptiert wird. Das heißt, im Schulterschluss mit den Gewerkschaften und Sozialverbänden werden wir als SPD auch die Meinungsbekundung auf der Straße suchen.

Mit Carsten Schneider sprach Till Schwarze

Quelle: ntv.de

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