Bremer Serienmörderin Vor 175 Jahren hingerichtet
17.04.2006, 11:44 UhrGesche Gottfried schmierte ihren Opfern den Tod gleichsam aufs Brot. Ihr Tatort war der Küchentisch. Sie vergiftete 30 Menschen mit "Mäusebutter", einem Gemisch aus Arsen und Fett. 15 bezahlten die Mordlust der Bremerin binnen 14 Jahren mit ihrem Leben, darunter ihre Eltern, Ehemänner und die eigenen Kinder.
Am Abend des 6. März 1828 hatte das böse Treiben ein Ende, die "Teufelsbraut" wurde verhaftet. Drei Jahre später sprachen die Richter ihr Urteil: Tod durch das Schwert. Vor 175 Jahren, am 21. April 1831, wurde Gesche Gottfried enthauptet, der Kopf zehntausenden Zuschauern gezeigt und später in einem Glas in Spiritus eingelegt und zu Gunsten eines Waisenhauses der Öffentlichkeit zur Schau gestellt.
Pendant zu "Jack the Ripper"
Während "Jack the Ripper" fast 60 Jahre später in London in nur wenigen Tagen Angst und Schrecken verbreitete, vollzog Gesche Gottfried ihr mörderisches Handwerk über Jahre in aller Stille. Das "Phantom mit Cape und Zylinder" meuchelte und zerstückelte an der Themse im Zwielicht der Gaslaternen fünf Frauen. Die im März 1785 geborene Gottfried brachte an der Weser Verwandten und Bekannten mit Arsen den Tod. Anders als das Londoner Pendant erregte sie nicht Abscheu und Furcht, sondern sogar Mitleid angesichts ihrer "Schicksalsschläge".
Wurde hinter vorgehaltener Hand auch gemunkelt, dass die Todesserie in ihrem Umfeld nicht mit rechten Dingen zugehen könne, so galt die junge Frau doch zunächst als der "Engel von Bremen". Die Bürger der Hansestadt zeigten sich beeindruckt von der Stärke der Frau, deren Liebste dahingerafft wurden, von ihrem sozialen Engagement und ihrer Leidensfähigkeit.
Streit über Motive
Falsche Diagnosen der Ärzte ließen das Morden über Jahre unentdeckt. Erst durch ihre erste Hochzeit bescheidenen Verhältnissen entronnen und ins Bürgertum aufgestiegen, pflegte Gesche ihre siechenden Opfer bis in den Tod und engagierte sich, weit über ihre finanziellen Verhältnisse, für soziale Zwecke. In einem Gedicht über sie heißt es: "Ich teilte Gift wie milde Spenden aus, und weilte lüstern Auges, wo im Haus der Tod hielt Schmaus."
Über die Motive der Giftmischerin scheiden sich bis heute die Geister. Gesche Gottfried selbst redete immer wieder von einem Drang, einem Trieb, den sie sich nicht erklären konnte. "Andere versuchten, Gründe für die Morde Gesche Gottfrieds in ständigen Geldschwierigkeiten oder in ihrer Wolllust zu finden", schreibt der Historiker Dieter Fischer. 1913 habe ein Nervenarzt, der die Akten sorgfältig geprüft haben will, in sexueller Eitelkeit und in einem Hang zu egozentrischer Sentimentalität die wichtigsten Schlüssel zu den Verbrechen gesehen. "Sie tötete, um ihre sexuellen Wünsche durchsetzen zu können, sie mordete aber auch, um sich selber bemitleiden zu können und zu lassen, ja, um ihren Opfern gegenüber die Wohltäterin spielen zu können."
Kopf verschollen
Das Morden, aber auch das Schicksal der Bremerin inspirierte zahlreiche Künstler. Über sie gibt es Bücher, Filme und Theaterstücke. "Gesina - die Teufelsbraut" wurde von einem unbekannten Autor 1829 geschrieben, als die Giftmischerin noch in Haft saß. Auch Rainer Werner Fassbinder inspirierte die Geschichte. Anfang der 1970er Jahre schrieb er sein Stück "Bremer Freiheit".
An Gesche Gottfried erinnert heute noch im Bremer Focke-Museum die Totenmaske der Giftmörderin. Ihr Skelett, zunächst in einem Schrank aufbewahrt, verbrannte im Zweiten Weltkrieg. "Der Kopf der wohl berühmtesten Bremerin gilt seit 1913 als verschollen - vielleicht ist er vernichtet worden, vielleicht steht er aber auch noch heute auf dem Kaminsims irgend eines morbiden Bremers", schreibt Fischer.
Oliver Pietschmann, dpa
Quelle: ntv.de