Dossier

Sanfter Bruch mit altem Frankreich Was Sarkozy ändern will

Frankreich hat gewählt, den ebenso quirligen wie konservativen und ehrgeizigen Nicolas Sarkozy. Nun wird sich erweisen, welche politischen Wahlkampfparolen er tatsächlich umsetzen will. "Das französische Volk hat entschieden, mit Ideen und Gewohnheiten der Vergangenheit zu brechen", sagte Sarkozy nach der Wahl.

"Arbeit, Leistung und Autorität" müssten wieder mehr als Werte betont werden. "Ich werde den Franzosen den Stolz auf Frankreich wiedergeben." In seiner ersten Rede als gewählter Präsident versuchte Sarkozy, Ängste bei innenpolitischen Gegnern und im Ausland zu zerstreuen. Er wolle "Royal und ihre Ideen" achten, sagte Sarkozy und rief das Land zur Einheit auf: "Ich will Präsident aller Franzosen sein". Niemand werde zurückgelassen.

Kampf gegen Arbeitslosigkeit

Im Wahlkampf versprach Sarkozy, die 35-Stunden-Woche beizubehalten, Überstunden aber steuerfrei zu stellen. Um den Arbeitsmarkt flexibler zu machen, derzeit liegt die Arbeitslosenquote mit leicht sinkender Tendenz bei um die 9 Prozent, sollen nach Sarkozys Vorstellungen die jetzt noch strikt getrennten Modelle von unbefristeten und befristeten Verträgen abgeschafft werden, um auch individuelle Lösungen bei Arbeitsverträgen festschreiben zu können. Gleichzeitig will der frühere Innenminister jedoch die Stellenzahl im öffentlichen Sektor verringern, um das Staatsdefizit zu drücken. Im Verkehrs- und Energiebereich sollen die Pensionen an die in anderen Bereichen des Staatssektors angepasst werden, Hypothekendarlehen sollen mehr Franzosen den Bau eigener Häuser ermöglichen.

Als christlicher Hardliner präsentiert sich der neue Präsident in seiner Haltung zur Homo-Ehe. Er lehnt sowohl die Homo-Ehe als auch die Adoption von Kindern durch homosexuelle Paare ab, will aber homosexuellen Partnerschaften mit Ehen weitgehende rechtlich gleich stellen. Nach den Protesten der Obdachlosen vom vergangenen Winter will Sarkozy ein Gesetz einbringen, das jedem Franzosen ein einklagbares Recht auf eine angemessene Unterkunft garantiert. Alle Obdachlosen sollen binnen zwei Jahren von der Straße verschwinden und untergebracht werden

Weit über die Mitte

Wahlforscher sahen bereits mit Erstaunen, wie flexibel Sarkozy mit seinen konservativen Sprüchen bis weit in die französische Rechte Wahlerstimmen einsammelte. Der "Null-Toleranz-Politiker" setzt sich für Mindeststrafen für Rückfalltäter ein, will das Jugendstrafrecht verschärfen und Richter für Folgen ihrer Urteile zur Rechenschaft ziehen. Mit solchen Sozialreformen will der Konservative das Land modernisieren und für die Globalisierung fitter machen.

Sarkozy wird von seinen Anhängern für seine harte Haltung bei den Themen Kriminalität und illegale Einwanderung geschätzt. Sarkozy ist spaniolischer Abstammung und der Sohn eines ungarischen Adligen und einer Mutter griechisch-jüdischer Abstammung, fiel immer wieder mit ausländerkritischen Äußerungen auf. Als Präsident hat er sich auf die Fahnen geschrieben, illegale Einwanderung zurückzudrängen und dafür die "selektive Einwanderung" von hoch qualifizierten Immigranten zu fördern. Äußeres Zeichen dafür soll die Schaffung eines Ministeriums für Immigration und Nationale Identität sein.

War Jacques Chirac innenpolitisch eher zurückhaltend, will Sarkozy sich deutlich stärker einmischen. Geht es nach ihm soll der Präsident vor der Nationalversammlung sprechen dürfen. Andererseits soll die Präsidentschaft auf zwei Amtsperioden beschränkt werden, das Parlament soll gegenüber der Regierung gestärkt werden, etwa bei der Änderung von Regierungsvorlagen. Im Bildungsbereich setzt sich Sarkozy insbesondere bei den Universitäten für größere Autonomie ein.

Franzose und Europäer

Sarkozy äußerte nach der Wahl einen "unsagbaren Stolz", Franzose zu sein. Er fügte allerdings hinzu: "Mein ganzes Leben war ich Europäer." Er rief dabei die EU-Partner auf, "die Stimme der Völker" zu hören und bekannte sich zugleich zum Aufbau Europas. Sarkozy hat sich gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei ausgesprochen und will nur eine "privilegierte Partnerschaft", wie sie auch CDU und CSU anstreben. Außerdem will er eine Erweiterungspause für die Union und einen vereinfachten Verfassungsvertrag für Europa. "Heute Abend meldet sich Frankreich in Europa zurück." Die europäische Einigung sei ein Projekt, an das er sein ganzes Leben geglaubt habe, sagte er in der Wahlnacht.

Zugleich könnten die USA stets auf die Freundschaft Frankreichs zählen. Sarkozy erinnerte Washington jedoch an seine "Pflicht", sich als großes Land an die Spitze des Kampfes gegen die Erderwärmung zu setzen. Frankreich werde "immer an der Seite" Amerikas stehen. "Die USA können auf unsere Freundschaft rechnen", sagte er unter dem Beifall seiner Anhänger.

Einfühlung ins Amt

Der neue Präsident will ein auf 15 Minister begrenztes Kabinett, das drei bis vier Tage nach der Amtsübernahme am 16. Mai zusammengestellt sein soll. Die Staatssekretäre würden erst nach den Parlamentswahlen vom 10. und 17. Juni ernannt. Als Premierminister sind Sarkozy-Berater Franois Fillon, der Sozial- und Arbeitsminister Jean-Louis Borloo und Verteidigungsministerin Michle Alliot-Marie im Gespräch. Fillon kündigte bereits an, Sarkozy werde seine ersten Auslandsreisen als neuer Präsident kurz nach Amtsantritt nach Brüssel und Berlin führen.

Solveig Bach

Quelle: ntv.de

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