Dossier

Nach dem WM-Rausch Zapatero zurück in der Realität

Wegen seines schwankenden Kurses in der Kritik: Spaniens Ministerpräsident Zapaterol

Wegen seines schwankenden Kurses in der Kritik: Spaniens Ministerpräsident Zapaterol

(Foto: REUTERS)

Der WM-Sieg hat Spanien ein Sommermärchen beschert. Doch die Politik ist von der Realität wieder eingeholt worden. Und die Schuldenkrise bedroht auch die Zukunft von Zapatero.

Spanien schwebt nach der gewonnenen Fußballweltmeisterschaft noch im Fußballhimmel. Die Nationalflagge ziert weiterhin zahlreiche Balkone und Autos. Doch die Politik ist angesichts der Wirtschaftskrise längst wieder auf dem harten Boden der Tatsachen gelandet.

"Ich habe so manche schlaflose Nacht hinter mir", gestand Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero erst kürzlich in einem Interview mit der Zeitung "El País". Am 4. August wird er 50, doch viel zu feiern hat der sozialistische Regierungschef nicht. Politisch ist er nach sechs Jahren im Amt auf dem Tiefpunkt.

Strahlenmann lacht nur noch selten

Der einstige Strahlemann lacht in der Öffentlichkeit nur noch selten. So richtig fröhlich sah man ihn zuletzt, als er nach der gewonnen WM die Nationalmannschaft im Regierungssitz La Moncloa empfing.

Zapatero freut sich über den WM-Sieg - ansonsten hat er nicht viel zu jubeln.

Zapatero freut sich über den WM-Sieg - ansonsten hat er nicht viel zu jubeln.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wegen seines Krisenmanagements hagelt es Kritik von allen Seiten. Im Parlament sind Zapatero und seine Sozialistische Partei (PSOE) isoliert, wie die diesjährige Debatte zur Lage der Nation zeigte. Am härtesten ging Oppositionschef Mariano Rajoy mit ihm ins Gericht. Einen "politischen Transvestiten" nannte der Vorsitzende der konservativen Volkspartei (PP) den Ministerpräsidenten wegen dessen schwankenden Kurses.

Rajoy verlangt vorgezogenen Wahlen

Erstmals traute sich Rajoy sogar, vorgezogene Wahlen zu verlangen. "Sie sind nicht mehr in der Lage zu regieren. Den besten Dienst, den sie dem Land erweisen können, ist das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszurufen." Ein Misstrauensvotum gegen die sozialistische Minderheitsregierung wagen die Konservativen allerdings nicht. Zwar liegen sie längst in den Umfragen vorn, doch im Parlament haben sie nicht genügend Unterstützer. Außerdem steht Rajoy in punkto Beliebtheit noch schlechter da als Zapatero.

Dennoch beschäftigt die Spanier die Frage, ob Zapatero die 2012 endende Legislatur politisch übersteht. Dem Ministerpräsidenten steht ein heißer Herbst bevor. Für den 29. September haben die Gewerkschaften zu einem Generalstreik aufgerufen, um gegen die von der Regierung beschlossene Arbeitsmarktreform zu protestieren. Diese sieht eine Lockerung des Kündigungsschutzes vor. Die Feuerprobe wird die Abstimmung über den Haushalt 2011 im Parlament sein.

Zapatero fährt harten Sparkurs

Viele sozialistische Wähler hat Zapatero vergrault. "Solange ich Regierungschef bin, wird es keine sozialen Einschnitte geben", hatte er versprochen. Doch dann verordnete er Spanien angesichts eines Haushaltsdefizits von zuletzt 11,2 Prozent den härtesten Sparplan in der jüngeren Geschichte des Landes. Um in diesem und im kommenden Jahr 15 Milliarden Euro zusätzlich zu sparen, wurden unter anderem die Beamtengehälter um durchschnittlich fünf Prozent gekürzt und 2011 eingefroren. Auch für Rentner gilt dann eine Nullrunde.

"Ich weiß, dass die Maßnahmen unpopulär sind", sagte Zapatero. Er will den Reformkurs aber einhalten "koste es, was es wolle". Außerdem sei die Situation ja "nicht mehr so schlecht", erklärte er nach den Stresstests für Europas Banken, bei denen Spaniens Geldhäuser bis auf fünf kleinere Sparkassenverbände recht gut abschnitten.

Rekordarbeitslosigkeit

Das ändert aber nichts daran, dass inzwischen jeder fünfte Erwerbsfähige im Lande ohne Job ist. Nach der jüngsten Statistik kletterte die Zahl der Arbeitslosen im zweiten Quartal auf rund 4,65 Millionen. Die Quote ist mit 20,09 Prozent doppelt so hoch wie im EU- Durchschnitt. Von einer Urlaubsreise können viele Spanier daher nur träumen. Auch Zapatero verzichtet dieses Jahr auf seine Sommerferien - er kann sie sich politisch nicht leisten.

Quelle: ntv.de, Jörg Vogelsänger, dpa

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