Dutzende Tote bei Anschlag in Moskau Putin: "Terroristen werden vernichtet"
29.03.2010, 19:32 Uhr
Trauer in der Moskauer Metro. Die Stationen werden inzwischen wieder angefahren.
(Foto: AP)
Weltweit lösen die blutigen Anschläge in der Moskauer Metro Entsetzen aus. Zwei Selbstmordattentäterinnen hatten sich in die Luft gesprengt. Ministerpräsident Putin, der 1999 seine Macht mit dem zweiten Tschetschenien-Krieg zementierte, droht den Hintermännern des Doppel-Anschlags mit einer gnadenlosen Jagd.

Regierungschef Putin will die mutmaßlichen Hintermänner "fangen und vernichten".
(Foto: dpa)
Nach dem Doppelanschlag mit mindestens 38 Toten in der Moskauer U-Bahn hat die russische Regierung einen harten Kampf gegen den Terrorismus angekündigt. Regierungschef Wladimir Putin erklärte, er wolle die mutmaßlichen Hintermänner "fangen und vernichten". Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und US-Präsident Barack Obama verurteilten den blutigsten Anschlag in der russischen Hauptstadt seit sechs Jahren als "abscheulich".
Putin erklärte, die Strafverfolgungsbehörden würden alles tun, um die Kriminellen zu finden und zu bestrafen. Präsident Dmitri Medwedew sagte laut russischen Nachrichtenagenturen bei einer Krisensitzung, Russland werde den Kampf gegen Terrorismus "ohne Zögern und bis zum Ende" fortführen. Der Geheimdienst FSB vermutete militante Gruppen aus dem Nordkaukasus als Drahtzieher.
Zwei Selbstmord-Attentäterinnen rissen am Morgen in der U-Bahn im Moskauer Zentrum mindestens 38 Menschen mit in den Tod. Weitere 64 Menschen wurden laut Katastrophenschutzminister Sergej Schoigu verletzt, als die Bomben an den Stationen Park Kultury und Ljubjanka detonierten. Über der Station Ljubjanka liegt die Zentrale des Geheimdienstes FSB.
Die Bomben waren mit Schrauben und Eisenteilchen gefüllt. Aus Angst vor weiteren Anschlägen wurden die Sicherheitsvorkehrungen etwa auf Flughäfen verstärkt.
Es wurde damit gerechnet, dass die Zahl der Toten noch steigt, da mindestens 30 Menschen sehr schwere Verletzungen erlitten.
Schwarze Witwen als Attentäterinnen?
Der Chef des Inlandsgeheimdienstes, Alexander Bortnikow, sagte, Forensik-Experten hätten sterbliche Überreste der beiden Attentäterinnen sichergestellt. In der Vergangenheit hatten wiederholt Witwen und Schwestern getöteter muslimischer Extremisten aus dem Kaukasus, sogenannte schwarze Witwen, Anschläge verübt. Die russischen Behörden versuchen vergeblich, die Gewalt in der muslimisch geprägten Region an der Grenze zu Georgien und Aserbaidschan unter Kontrolle zu bringen. Die Gewalt konzentriert sich auf Dagestan und Inguschetien, doch auch Tschetschenien ist nicht zur Ruhe gekommen.
Medwedew sprach von einem Versuch, Russland zu destabilisieren und kündigte einen unerbittlichen Kampf gegen Extremisten an. Ministerpräsident Wladimir Putin, der 1999 seine Macht mit dem zweiten Tschetschenien-Krieg zementierte, drohte den Hintermännern des Doppel-Anschlags mit einer gnadenlosen Jagd. Damals war Russland von einer Welle der Gewalt überzogen worden, für die tschetschenische Separatisten verantwortlich gemacht wurden. "Die Terroristen werden vernichtet", erklärte Putin nach den erneuten Anschlägen. Der Regierungschef brach eine Reise nach Sibirien ab und kehrte nach Moskau zurück.
Täglich 8,5 Millionen Fahrgäste
Die erste Explosion ereignete sich im Berufsverkehr gegen 07.57 Uhr (Ortszeit, 05.57 Uhr MESZ) in einem U-Bahnzug in der Station Ljubjanka. Etwa eine halbe Stunde später detonierte eine zweite Bombe in einem Zug in der Station Park Kultury. Augenzeugen berichteten von Panik unter den Fahrgästen. Die Polizei riegelte mehrere U-Bahn-Durchgänge ab. Der Verkehr auf den betroffenen Linien wurde zwischenzeitlich eingestellt, am Abend eröffnete die Station Ljubjanka wieder. Täglich nutzen rund 8,5 Millionen Menschen die Moskauer U-Bahn.
Hinweise deuten auf Nordkaukasus
Nach Einschätzung des auf die Beobachtung islamistischer Webseiten spezialisierte US-Unternehmens IntelCenter deutet vieles darauf hin, dass die Gruppierung Kaukasus-Emirat des tschetschenischen Rebellenchefs Doku Umarow hinter dem Doppelanschlag steckt. Umarow will im Nordkaukasus einen islamischen Staat errichten und hatte sich zu dem Anschlag auf den "Newski-Express" bekannt. Der Schnellzug war Ende November auf dem Weg von Moskau nach St. Petersburg durch eine Explosion entgleist. Es wurden 28 Menschen getötet.
Im Februar hatte Umarow im Internet angekündigt, den "Krieg in die russischen Städte" zu tragen. "Das Blut wird nicht länger nur in unseren Städten fließen", ergänzte er.
Kein Konzept für Nordkaukasus
"Es deutet vieles darauf hin, dass aus dem Umfeld tschetschenischer Widerstandskämpfer oder anderer Unruheregionen im Kaukasus diese Selbstmordattentate verübt worden sein könnten", sagte der Terrorismus-Experte Michael Lüders bei n-tv. Zwar sei die Lage in Tschetschenien "oberflächlich befriedet", aber "es gibt nach wie vor kein wirkliches politisches Konzept seitens der Regierung in Moskau, mit den Unruheregionen im Nordkaukasus umzugehen", so Lüders.
Sollten tatsächlich eine Spur in den die Attentäter aus dem Nordkaukasus kommen, befürchtet Lüders das Schlimmste: "Es wird Vergeltungsmaßnahmen geben, militärische Exkursionen mit vermutlich vielen Toten, auch auf ziviler Seite, was dann wiederum den Terror derer, die glauben, Widerstand zu leisten, erneut beflügeln wird. Es ist ein endloser Kreislauf der Gewalt", so Lüders weiter. Dieser könne nur unterbrochen werden, wenn die Regierenden und die demokratische Opposition, die nicht im Untergrund wirkt im Nordkaukasus, miteinander Verhandlungen aufnähmen über eine andere Zukunft des Kaukasus. "Aber dazu ist die Regierung in Moskau in der Vergangenheit nie bereit gewesen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte die Anschläge einen Rückschlag für die russischen Bemühungen um Sicherheit. Zugleich äußerte sie sich erschüttert. "Das ist ein schreckliches Ereignis", sagte sie. Sie habe dem russischen Präsidenten Medwedew ihr tiefes Bedauern übermittelt und hoffe, dass die Anschläge mit mehreren Dutzend Toten schnell aufgeklärt werden können. Bundesaußenminister Guido Westerwelle verurteilte ebenfalls das Attentat. "Diese Anschläge in Moskau sind verabscheuungswürdig und durch nichts zu rechtfertigen", sagte der Minister.
Der französische Präsident Nicolas Sarkozy sagte in New York, die demokratischen Länder müssten gemeinsam gegen den Terrorismus kämpfen. Obama sprach von "schrecklichen terroristischen Akten". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon äußerte die Hoffnung, dass die Hintermänner bald gefasst würden. Deutsche waren offenbar nicht unten Opfern.
Quelle: ntv.de, ppo/ghö/dpa/AFP/rts