Zwischenruf Betreuungsgeld wird zum Kainsmal
25.04.2012, 15:08 Uhr
Wer sein Kind zuhause lässt, soll finanziell belohnt werden.
(Foto: dpa)
Die Pläne der Koalition, Hartz-IV-Empfängern kein Betreuungsgeld zu zahlen, sind nicht nur finanziell diskriminierend. Sie stellen zugleich Millionen von Menschen in eine zweifelhafte Ecke. Hartz IV ähnelt dem biblischen Kainsmal, das man bis ans Lebensende nicht mehr loswird.
Eigentlich hatte sich der bayerische Ministerpräsident schon Ende vergangenen Jahres mit dem Vorschlag hervorgetan, den Empfängern von Hartz IV kein zu zahlen. Doch damals verhallte Horst Seehofers Alphorn in den Weiten der märkischen Streusandbüchse. Nun aber scheint es . CDU, CSU und FDP wollen jene Arme, die am unteren Rand unserer reichen Gesellschaft ihr Dasein fristen, nicht in den Genuss eines Zuschusses kommen lassen, der ohnehin fragwürdig ist. Denn eine finanzielle Zuwendung zu erhalten, weil man nicht arbeiten geht, widerspricht sogar den Grundwerten der Regierungsparteien: Nichtleistung muss sich wieder lohnen? Zwar ist nicht von der Hand zu weisen, dass Kindertagesstätten schließlich auch vom Staat bezuschusst würden. Mit demselben Argument könnte man aber auch allen, die nicht in die Oper gehen, eine Beihilfe zum Erwerb einer Klassik-CD gewähren.
Die Streichpläne sind nicht nur finanziell entwürdigend. Von einschlägiger Seite wird geltend gemacht, dass die Empfänger von Arbeitslosengeld II ein Betreuungsgeld ja zumeist in einen neuen Fernseher mit Flachbildschirm oder ein paar Flaschen Schnaps mehr investiert würden. Das läuft auf eine Kollektivverurteilung von knapp viereinhalb Millionen Menschen hinaus. Dort zu kürzen, wo die Decke eh schon an allen Ecken und Ende zu kurz ist, erinnert in fataler Weise an die Bargeldgeschenke der Oma, die auf den Monatshartz angerechnet wurden, an den Jugendlichen, dessen Ferienverdienst seinen arbeitslosen Eltern angerechnet wurde, an das Lottoverbot für Bezieher von Hartz IV in Nordrhein-Westfalen.
Die Liste der Diskriminierung ließe sich fortsetzen. Hartz IV zu sein, wie es mittlerweile auf Umgangsdeutsch heißt, ähnelt dem biblischen Kainsmal, das man bis ans Lebensende nicht mehr loswird. Mit dem Unterschied, dass der "Hartzer" in der Regel friedlich mit seinem Bruder auskommt.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de