Zwischenruf Bildungsreise nach Peking
24.10.2008, 15:21 UhrChina und Deutschland haben bekräftigt, dass sie künftig noch enger zusammenarbeiten wollen, auch und vor allem bei der Bekämpfung der Finanzkrise. Pekings erster Mann Hu Jintao spricht beim Empfang von Angela Merkel gar von Freundschaft; Berlin habe den Löwenanteil an der Hilfe nach der Erdbebenkatastrophe von Sichuan im Mai gehabt.
Das ist schon ganz schön dick aufgetragen, aber es zeigt: In der allergrößten Not schmeckt die Wurst auch ohne Brot. In den Skat gedrückt der Empfang des Dalai Lama durch die Kanzlerin; Menschenrechtsfragen spielen nur am Rande eine Rolle. Zu groß sind die gegenseitigen Abhängigkeiten. Wobei Deutschland mehr chinesische Hilfe braucht als umgekehrt. Die Volksrepublik verfügt im Unterschied zur Bundesrepublik über Druckmittel gegenüber den USA. Als die Investmentbank Lehman Brothers den Bach hinunterging, rührte das Weiße Haus keinen Finger. Als Fannie Mac und Freddie Mae zu kippen drohten, schlug China mit der Faust auf den Tisch und Washington machte Milliarden locker. Hintergrund: Banken aus dem Reich der Mitte waren und sind bei den zwei größten US-Immobilienfinanzierern übermäßig stark engagiert.
Chinas Devisenreserven in Höhe von 1,4 Billionen Dollar sind überwiegend in US-Staatsanleihen angelegt. Das macht China auch, um den Yuan-Kurs künstlich niedrig und die Exportquote real hochzuhalten. Wenn Peking aber mit dem Finger schnippt und verkauft, dann wehe dem US-amerikanischen Staatshaushalt mit seinem 455-Milliarden-Loch.
China wird am Ende gestärkt aus der Krise hervorgehen. Zum einen wegen des vergleichsweise geringeren Engagements auf den internationalen Finanzmärkten. Zum anderen muss die Staats- und Parteiführung weitaus weniger Rücksicht auf mögliche soziale Auswirkungen der Krise auf die Bevölkerung nehmen. Weil die Gewerkschaften Staats- und weniger Arbeiterinteressen tragend sind und weil große Teile der Bevölkerung, namentlich auf dem Lande, faktisch außerhalb der nationalen Zirkulationssphäre stehen.
Am Weltfinanzgipfel am 15. November im New Yorker UN-Gebäude werden auch so genannte Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika und Mexiko teilnehmen. Die Zeiten, als G8 oder gar G7 so taten, als könnten sie die Probleme dieser Welt lösen, sind vorbei. Was im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen politisch nicht möglich scheint, wird durch ökonomische Zwänge Wirklichkeit: Die Dritte Welt sitzt mit am Tisch, wenn es um die globalen Geschicke geht. Aus der G8-Gruppe sollte rasch eine G12- oder mehr Gruppe werden. Die Globalisierung, wie wir sie bisher kannten, hat Schiffbruch erlitten. Wenn die Bundeskanzlerin mit dieser Erkenntnis aus Peking zurückkommt und mit dieser Erkenntnis an den East River reist, hat Deutschland viel gewonnen.
Quelle: ntv.de