Zwischenruf Das Theater ist noch nicht zu Ende
03.11.2009, 16:51 Uhr
Klaus wehrte sich lange gegen die EU-Reform. Nun hat er unterschrieben.
(Foto: AP)
Mit der Entscheidung des tschechischen Verfassungsgerichts, dass der Lissabon-Vertrag nicht gegen das Grundgesetz des Landes verstößt, war der Weg frei für die Unterschrift von Präsident Václav Klaus unter das Konvolut. Und die europäische Ersatzverfassung könnte nun in Kraft treten. Doch klar ist dies keineswegs.
Vor dem Spruch der schwarzen (sic!) Roben in Brno hatte es auf dem Prager Hradschin geheißen, Klaus werde nichts tun, bevor nicht das Ergebnis der britischen Parlamentswahlen im Frühjahr vorliegt. Ein Sieg der Tories gilt als sicher. Im Europaparlament gehören sie gemeinsam mit Klaus’ ODS-Partei und der PiS-Gruppierung der polnischen Kaczy?ski-Zwillinge der neugebildeten nationalkonservativen und europaskeptischen Allianz für das Europa der Nationen an. Selbst wenn Klaus nun unterschrieben hat: Tory-Chef David Cameron will eine Volksabstimmung über den Vertrag durchführen, auch wenn das Papier schon ratifiziert ist. Der Ausgang ist offen, eine Ablehnung nicht unwahrscheinlich. Dann geht das Theater von vorn los. Bis dahin aber werden Personaldiskussionen und Rangeleien anderer Art die Szene beherrschen. Wer soll den - laut "Lissabon" vorgesehenen - Posten eines ständigen Ratspräsidenten einnehmen? Der Vorschlag Tony Blair ist wohl vom Tisch. Wäre ja auch eine komische Inszenierung, ein Premier Cameron, der seinem Landsmann fortwährend in den Rücken fällt. Oder etwas darunter kräftig zutritt. Das gilt übrigens auch umgekehrt. Belgiens Ministerpräsident Herman Van Rompuy, der flämische Christdemokrat, der schon Schwierigkeiten hat, im eigenen Land die Balance mit den Wallonen zu halten? Ein schwacher Ratspräsident wäre vermutlich ganz nach dem Geschmack der Vorzeigeeuropäer Sarkozy, Zapatero und Merkel. Die deutsche Kanzlerin hat mit dem Wegloben des Quertreibers Günther Oettinger gezeigt, dass sie möglichst jemand ohne europäisches Profil und Gewicht in Brüssel haben möchte.
So wird die Europäische Union auch nach der Entscheidung von Brno bleiben, was sie ist: Ein Bund von Staaten, in dem am Schluss stets das nationale Eigeninteresse über das Gemeinsame obsiegt.
PS: Nach Fertigstellung dieses Beitrags wurde bekannt, dass Tory- Chef, David Cameron, von einem Referendum Abstand nehmen will. Vielmehr wolle er nun weitere Ausnahmeregelungen für sein Land, etwa in der Sozial- und Beschäftigungspolitik. Die Ultras in seiner Konservativen Partei hingegen beharren auf einer Volksabstimmung über den Lissabon-Vertrag auch nach dessen Ratifizierng. Wie gesagt: Das Theater ist noch nicht zu Ende.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de