Regierungsbildung weiter Fehlanzeige Das belgische Tollhaus
21.11.2011, 20:58 Uhr
Elio Di Rupo gibt wieder einmal auf.
(Foto: AP)
Das politische Chaos in Belgien hält an - auch fast 18 Monate nach der letzten Parlamentswahl gibt es keine neue Regierung. Diesmal erweist sich der Haushalt 2012 als zu hohes Hindernis. Dabei hat Belgien ein funktionierendes Kabinett bitter nötig. Das Land ist wegen seiner hohen Staatsverschuldung seit geraumer Zeit auf dem Finanzmarkt-Radar.
Die belgische Politikerkaste bleibt sich treu: Fast 18 Monate nach der letzten Parlamentswahl ist die Bildung einer neuen Regierung wieder einmal in weite Ferne gerückt. Grund ist ausnahmsweise mal nicht der Sprachenstreit zwischen Flamen und Wallonen bezüglich des , sondern der Haushalt für 2012.
Die in die Verhandlungen involvierten sechs Parteien können zu dringend notwendigen Sanierungsmaßnahmen keine Einigung erzielen. Die Liberalen aus beiden Landesteilen schießen quer und torpedieren eine Einigung. Sie wollen keine Steuererhöhungen, sondern Einsparungen. Christdemokraten und Sozialisten beider Landesteile sehen das anders. Damit ist man wieder einmal in der Sackgasse.
ist jedenfalls mit seiner Geduld am Ende: Der als Premierminister gehandelte wallonische Sozialistenführer warnte bereits von einer "dramatischen Lage" - nur es hörte keiner zu. So begibt er sich erneut zu König Albert II., der sich diesmal - fernab vom politischen Treiben in Brüssel - in seinem Ardennen-Schloss Ciergnon verschanzt hat.
So ist und bleibt Belgien ein politisches Tollhaus. Nicht kompromissbereite Akteure halten das Land in Atem und beschleunigen damit seinen Zerfallsprozess. Der 77-jährige König, der zu allem Überfluss noch eine Hautkrebs-Operation über sich ergehen lassen musste, ist wieder gezwungen zu moderieren. Aber wer hört schon auf ihn? Der kommissarische Premier Yves Leterme muss wohl oder übel weiter regieren. Der flämische Christdemokrat will eigentlich zur OECD wechseln.
Dabei hat Belgien eine funktionierende Regierung bitter nötig. Das Land ist bereits seit geraumer Zeit auf dem Radar der sogenannten Finanzmärkte. . Die Verschuldung des Landes ist hoch - sie beträgt rund 100 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Deswegen sind Sparmaßnahmen - im Gespräch sind 11,3 Milliarden Euro im kommenden Jahr – längst überfällig.
Just in diesem Moment kommt der flämische Nationalistenführer Bart De Wever ins Spiel. Ausgerechnet der 40-Jährige, dem das Wort Belgien nur schwer über die Lippen kommt, will mit seiner Neu-Flämischen Allianz (N-VA) eine Notregierung mit Christdemokraten und Liberalen bilden. Politische Gegner wittern bereits Gefahr, denn sie sehen in De Wever eine Art Trojanisches Pferd, das den belgischen Staat zu Fall bringen könnte. Es ist unwahrscheinlich, dass die Sozialisten - sie sind in der wirtschaftlich unterentwickelteren Wallonie immerhin die stärkste Partei - einen solchen Schritt widerstandslos hinnehmen. De Wever bedeutet für sie weiter Zank und Streit um die Transferzahlungen aus dem reichen Flandern in die arme Wallonie.
So erlebt Belgien wieder einmal turbulente Tage. Zum Glück haben seine Bewohner die Fußball-Nationalmannschaft und die in der EuroLeague bislang erfolgreichen Klubs und Standard Lüttich, die zumindest zeitweise für Freude sorgen. Allerdings gibt es in diesen bewegten Tagen in Europa mit vielen Rücktritten auch etwas Positives zu registrieren: Durch das Chaos wahrt Belgien eine Art politischer Kontinuität. Denn es existiert keine Regierung, die gestürzt werden kann.
Quelle: ntv.de